Leitsatz
Für Ansprüche aus zu berichtigenden Vorsteuern bei einer Zahlungsunfähigkeit der GmbH erst nach dem maßgeblichen Voranmeldungszeitraum haftet der GmbH-Geschäftsführer nicht.
Sachverhalt
Das Finanzamt stellte bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung einer GmbH (Herausgeberin einer Zeitschrift) für Februar bis April 2004 fest, dass deren Verbindlichkeiten nur zu 16 bis 25 % durch liquide Mittel gedeckt waren. Es ging daher davon aus, dass die GmbH zahlungsunfähig war und somit die fälligen Forderungen der Gläubiger uneinbringlich geworden sind. Nach dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters, aufgrund des am 19.5.2004 gestellten Insolvenzeröffnungsantrags, war die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet. Gegen den Kläger erging ein Haftungsbescheid für Umsatzsteuer in Höhe von 33.304,23 EUR. Das Finanzamt meint, der Kläger habe als Geschäftsführer pflichtwidrig gehandelt, indem er trotz Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit der GmbH die ausgewiesene Vorsteuer nicht gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt bzw. diese überhaupt geltend gemacht habe. Der Kläger hält entgegen, dass er erst Mitte Mai 2004 erkannt habe, dass es keine weitere Zusammenarbeit mit einem Verlag, dem eine Beteiligungsoption an der GmbH aufgrund eines von ihm gewährten Darlehens von 360.000 EUR eingeräumt war, geben würde und er somit nicht mehr mit den erhofften Mitteln für die Verbindlichkeiten rechnen konnte. Da aufgrund der vorläufigen Insolvenzverwaltung und der Dauerfristverlängerung die Umsatzsteuervoranmeldung erst am 10.7.2004 einzureichen war, falle die Berichtigung der Vorsteuer nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers.
Entscheidung
Das FG folgte der Auffassung des Klägers und hob den Haftungsbescheid auf. Der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person haftet nach § 69 i. V. m. § 34 AO für nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzte oder erfüllte Ansprüche oder - soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden - aus dem Steuerverhältnis (§ 34 AO) nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung. Hierzu gehört auch die rechtzeitige Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 150 AO i. V. m. § 18 Abs. 3 UStG). Eine derartige Pflichtverletzung sah das Gericht als nicht bewiesen an. Die Pflicht zur Berichtigung der Vorsteuer besteht nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 UStG, wenn sich aus den Gesamtumständen ableitet, dass er der Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Gläubiger nicht mehr nachkommen kann. Die Forderung des Gläubigers muss jedoch "uneinbringlich" geworden sein. Damit ist aus objektiver Sicht zu rechnen, wenn der Schuldner bei Fälligkeit nicht zahlen wird und der Gläubiger seinen Anspruch auf absehbare Zeit (ganz oder teilweise) nicht durchsetzen kann. Gründe hierfür können Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit des Schuldners sein. Der Geschäftsführer haftet dann nicht, wenn diese Berichtigungspflicht in den Verantwortungsbereich des bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwalters gefallen ist.
Hinweis
Entscheidend für die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit ist die Uneinbringlichkeit von fälligen Gläubigeransprüchen. Das Finanzamt bezog jedoch sämtliche offene Verbindlichkeiten ein, ohne deren Fälligkeiten geprüft zu haben. Vertreter juristischer Personen sollten angesichts der sich ausgesetzten persönlichen Haftung bei Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft - nicht zuletzt auch zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen wegen Insolvenzverschleppung und Bankrottdelikten - bereits bei einem sich Manifestieren der Zahlungsunfähigkeit, auf die zügige Einleitung ausreichender Sanierungsmaßnahmen, wie z. B. die Fälligkeiten der Ansprüche hinausschiebende Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen, achten. Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit wird jedoch der Berichtigungs- und Rückerstattungsanspruch aus dem auf die noch offenen Verbindlichkeiten geltend gemachten Vorsteuerabzug fällig.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.07.2009, 12 K 9048/06 B