Verträge kommen durch Antrag und Annahme zustande (§§ 145 ff. BGB). Im BGB wird dem bloßen Schweigen keinerlei Bedeutung zugemessen, d. h. wenn sich eine Privatperson nicht ausdrücklich erklärt, entstehen mit ihrem Schweigen grundsätzlich keine rechtsgeschäftlichen Pflichten.
Im Handelsrecht gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen:
- Schweigen auf ein Angebot zur Geschäftsbesorgung (§ 362 Abs. 1 HGB),
- Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben,
- Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 75h, 91 a HGB),
- Kommission (§ 386 Abs. 1 HGB, siehe 3.2.),
- in besonderen Fällen kraft Handelsbrauch.
2.1.1 Schweigen auf ein Angebot zur Geschäftsbesorgung
Geht einem Kaufmann, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemandem zu, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, so ist er verpflichtet, unverzüglich zu antworten. Will er sich nicht vertraglich binden, muss er dem Antrag widersprechen. Das Schweigen auf den Antrag gilt gem. § 362 Abs. 1 BGB als Annahme; das Vertragsverhältnis kommt zustande. Im Gegensatz dazu kommt im Bürgerlichen Recht ein Vertrag nur bei ausdrücklicher Annahme zustande (vgl. § 663 BGB).
Schweigen als Annahme
Herr Müller hat seine Bank seit Jahren schon mit der Ausführung seiner Börsengeschäfte betraut. Er erteilt ihr den Auftrag 50 Aktien der XY-AG zu kaufen. Die Bank reagiert darauf nicht. Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist dennoch gem. § 362 Abs. 1 HGB stillschweigend zustande gekommen. Herr Müller kann Schadensersatz geltend machen, wenn die Bank den Kauf nicht ausgeführt hat und die fragliche Aktie inzwischen im Kurs deutlich gestiegen ist.
Weitere typische Geschäftsbesorgungen sind Inkassogeschäfte, Kommissionsgeschäfte oder Lager- und Transportgeschäfte.
2.1.2 Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Ähnlich gelagert ist der Fall beim Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Der Vertrag kommt mit dem Inhalt des Schreibens zustande, wenn der Kaufmann nicht unverzüglich hierauf reagiert.
Gewohnheitsrecht
Dieses Rechtsinstitut ist nicht im HGB geregelt, allerdings kraft Gewohnheitsrecht anerkannt. Damit ist es stärker als nur ein Handelsbrauch und kann von keiner Partei einseitig, z. B. in AGB ausgeschlossen werden. Der Grundsatz ist nicht auf Kaufleute beschränkt; es reicht die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit.
Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben hält nach Vorverhandlungen, die tatsächlich oder zumindest aus der Sicht des Bestätigenden zum Vertragsschluss geführt haben, den bereits formlos zustande gekommenen Vertrag gegenüber dem anderen Teil schriftlich fest. Das Bestätigungsschreiben dient also i. d. R. als Beweisurkunde. Nimmt der Empfänger das Bestätigungsschreiben widerspruchslos hin, so muss er den Inhalt als richtig gegen sich gelten lassen. Der Vertrag kommt mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande.
Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss durch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sind im Einzelnen:
- Empfänger und Absender müssen entweder Kaufleute sein oder in kaufmännischer Weise am Geschäftsverkehr teilnehmen und
- sowohl damit rechnen müssen als auch darauf vertrauen dürfen, dasss sich der andere Teil ebenfalls in kaufmännischer Weise verhält, was z. B. für einen Rechtsanwalt, einen Insolvenzverwalter, einen Architekten oder einen Bauingenieur angenommen wurde;
- Vertrags(vor)verhandlungen haben stattgefunden;
- der wesentliche Inhalt und die wesentlichen Konditionen des Vertrags wurden schriftlich festgehalten;
- der Empfänger darf dem Bestätigungsschreiben nicht unverzüglich, also binnen ein bis zwei Tagen widersprochen haben, wobei der Widerspruch auch konkludent erfolgen kann.
Ausnahmen
Ein Vertrag kommt ausnahmsweise dann nicht durch Schweigen zustande, wenn der Vertragsinhalt offensichtlich und bewusst falsch im Bestätigungsschreiben widergegeben wurde.
2.1.3 Vertreter ohne Vertretungsmacht
Besonderen Schutz erfahren gutgläubige Dritte,
- die mit einem kaufmännischen Arbeitnehmer eines Unternehmens in geschäftlichen Kontakt treten,
- der seine eingeräumten Befugnisse überschreitet.
Der Schutz besteht darin, dass der Arbeitgeber, sobald er von dem Geschäft erfährt, unverzüglich die Ablehnung erklären muss, wenn er daran nicht gebunden sein will; anderenfalls gilt das zunächst ohne Vollmacht abgeschlossene Geschäft als genehmigt (§ 75 h HGB).
Die Vorschrift weicht damit vom allgemeinen Vertretungsrecht ab. Denn nach § 177 Abs. 2 BGB liegt in dem Schweigen des Vertretenen gerade keine Genehmigung, sondern im Gegenteil eine Verweigerung.
Eine inhaltsgleiche Regelung enthält § 91a HGB für den Handelsvertreter.
2.1.4 Kommission (siehe 3.2.)
Missachtet der Kommissionär die ihm durch Weisung oder vertragliche Vereinbarung gesetzten Preisgrenzen, muss der Kommittent eine eventuelle Zurückweisung unverzüglich erklären, um zu vermeiden, dass das Geschäft trotz Abweichung als genehmigt gilt (§...