Leitsatz
1. Gibt der Steuerpflichtige nach Ergehen eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewinnfeststellungsbescheids erstmals eine inhaltlich abweichende Feststellungserklärung ab, so liegt darin zugleich ein Änderungsantrag gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Dieser führt, wird er vor Ablauf der Feststellungsfrist gestellt, gemäß § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO zu einer Ablaufhemmung.
2. Eine auf den erstmaligen Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 15b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes gerichtete Klage ist in der Regel mangels Beschwer unzulässig.
Normenkette
§ 171 Abs. 3, § 119 Abs. 1, § 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1, § 149, § 164, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO, § 2 Abs. 3, § 15b Abs. 1 und 4 EStG, § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 101, § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO, § 133, § 157 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein sog. Dachfonds in Gestalt einer GmbH & Co. KG, die an anderen Personengesellschaften beteiligt war. An der Klägerin selbst waren verschiedene Gesellschafter selbst oder als Treuhänder für andere Personen beteiligt.
Die Klägerin gab zunächst für das Streitjahr 2009 keine Feststellungserklärung ab. Unter dem Vorbehalt der Nachprüfung schätzte das FA deshalb die Besteuerungsgrundlagen in Form von Einkünften aus Gewerbebetrieb und verrechenbarem Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG von 0 EUR.
Im Jahr 2014 gab die Klägerin eine Feststellungserklärung für 2009 ab. Es solle ein Verlust von rund 1,2 Mio. EUR und in gleicher Höhe ein Verlust nach § 15b EStG festgestellt werden. Das FA lehnte eine Änderung der bisherigen Feststellung ab, da mittlerweile Feststellungsverjährung eingetreten sei.
Das FG gab der Klage statt. Mit Einreichung der Feststellungserklärung im Jahr 2014 habe die Klägerin zugleich einen Antrag auf Änderung gestellt und so eine Ablaufhemmung für die Feststellungsverjährung bewirkt (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.2.2021, 10 K 3480/18 F, Haufe-Index 14426207).
Entscheidung
Der BFH hat der Revision nur insoweit stattgegeben, als die Klage auf Feststellung nur nach § 15b EStG verrechenbarer Verluste bereits unzulässig ist.
Im Übrigen wurde das Urteil des FG bestätigt. Die Feststellungsverjährung ist nicht eingetreten, da die Abgabe der Feststellungserklärung zugleich einen Antrag auf Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätz-Gewinnfeststellung darstellt und damit der Ablauf der Verjährung gehemmt wurde. Ein zwischenzeitlich ergangener Änderungsbescheid war in solcher Weise unklar, dass er nichtig ist und keine Wirkung entfaltet.
Hinweis
1. Ein vor Ablauf der Feststellungs- oder Festsetzungsverjährung gestellter Antrag auf Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungs-/Festsetzungsbescheides löst die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO aus.
2. Für diesen Antrag bestehen keine Formvorschriften. Er kann auch konkludent gestellt werden.
3. Die reine Erfüllung der Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungs-/Festsetzungserklärung bewirkt zwar eine Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), nicht jedoch eine Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 3 AO).
4. Eine eingereichte Feststellungs-/Festsetzungserklärung kann zugleich Erfüllung der Erklärungspflicht und konkludenter Antrag auf Änderung der bestehenden Vorbehaltsfeststellung oder -festsetzung darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die Grundlagen der Besteuerung geschätzt worden waren.
5. Ein Feststellungsbescheid ist nichtig und damit unwirksam, wenn er – auch nach Auslegung – nicht klar erkennen lässt, in welchem Verhältnis er zu einem vorhergehenden Bescheid steht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.8.2024 – IV R 9/22