Dr. Christian Delarber, Dr. Florian Müller
4.2.1 Aufstockung
Rz. 60
Bei einer Aufstockung wird ein Gebäude um (mindestens) ein zusätzliches Stockwerk erweitert. Wird bei einem Gebäude eine Aufstockung vorgenommen, liegt eine Erweiterung des Gebäudes vor, welche stets dazu führt, dass die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht als laufender Aufwand direkt abziehbar sind, sondern einer Aktivierung als nachträgliche Herstellungskosten beim bisherigen Gebäude unterliegen. Eine Aufstockung eines Gebäudes führt nicht zwangsweise zu einem grundlegenden Umbau, auch wenn hierdurch die Bausubstanz erheblich vermehrt worden ist. Es handelt sich regelmäßig nicht um einen Neubau, da die durch die Aufstockung durchgeführten Baumaßnahmen in der wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgebäudes aufgehen und keine Wesensänderung des bisherigen Gebäudes stattfindet.
Rz. 61
A errichtete vor 20 Jahren auf seinem Grundstück eine Gaststätte. Die Herstellungskosten betrugen 200.000 EUR. Im Jahr 01 stockt er die Gaststätte um ein Stockwerk auf und richtet darin Ferienwohnungen ein. Die Baumaßnahme ist bereits im November 01 beendet. Die Aufwendungen betrugen insgesamt 300.000 EUR. Das Gaststättengebäude war bereits vor der Aufstockung fertig gestellt. Die Aufstockung ist lediglich eine Ergänzung des Gebäudes. Die zusätzlichen Baumaßnahmen gehen in der wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgebäudes auf. Das aufgestockte Gebäude ist also, wirtschaftlich gesehen, kein Neubau. Es handelt sich bei den Aufwendungen in Höhe von 300.000 EUR um nachträgliche Herstellungskosten des bisherigen Gebäudes.
4.2.2 Anbau
Rz. 62
Auch Anbauten an einem Gebäude sind als Erweiterung zu qualifizieren. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen stellen nachträgliche Herstellungskosten dar. Bei Anbauten ist dahingehend zu unterscheiden, ob eine sogenannte Verschachtelung zwischen dem bisherigen Gebäude und dem Anbau vorliegt.
Rz. 63
Nach der Rechtsprechung des BFH führt erst eine Mehrzahl baulicher Verbindungen zu einer Verschachtelung und damit zur Entstehung eines einheitlichen Gebäudes. Die Verbindungen müssen derartig sein, dass sie bei einem etwaigen Verkauf des Anbaus nicht ohne erhebliche Bauaufwendungen voneinander getrennt werden können. Erfolgt durch den Anbau eine Prägung, die auf das Gesamtgebäude durchdringt, entsteht ein neuer Vermögensgegenstand; ansonsten ergeben sich nachträgliche Herstellungskosten hinsichtlich des Anbaus. Hat der Anbau etwa eigene Fundamente, eigene Mauern und einen eigenen Eingang, dann können auch eine gemeinsame Versorgung von Gebäude und Anbau mit Energie, Wärme und Wasser sowie Verbindungstüren zwischen Gebäude und Anbau eine Verschachtelung nicht begründen. Fehlt es an einer ausreichenden baulichen Verschachtelung, so bildet der Anbau einen eigenständigen Vermögensgegenstand, wenn das Gebäude ohne den Anbau nicht unvollständig wäre. Auf die Wert- und Größenverhältnisse zwischen Alt- und Neubau kommt es dann nicht an. Wäre das Gesamtgebäude ohne den Anbau unvollständig, so resultieren daraus gleichwohl nachträgliche Herstellungskosten.
Rz. 64
Anbauten |
Verschachtelung |
Keine Verschachtelung |
Anbau gibt dem Gebäude das Gepräge |
Anbau gibt dem Gebäude nicht das Gepräge |
Ohne Anbau ist das Gebäude unvollständig |
Ohne Anbau ist das Gebäude nicht unvollständig |
Entstehen eines neuen Vermögensgegenstandes |
Nachträgliche Herstellungskosten bei bisherigem Gebäude |
Anbau ist neuer Vermögensgegenstand |
Rz. 65
B baut an ein Mietshaus, dessen Wohnungen er an eigene Arbeitnehmer vermietet, Garagen an. Die Garagen stehen zum Gebäude in einem engen Nutzungs- und Funktionszusammenhang und vervollständigen es daher. Die Bauaufwendungen sind als nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes zu qualifizieren.
4.2.3 Vergrößerung der nutzbaren Fläche
Rz. 66
Auch Aufwendungen zur Vergrößerung der nutzbaren Fläche sind Erweiterungsaufwendungen, die als Herstellungskosten zu aktiviert sind. Auf den Umfang der Vergrößerung kommt es hierbei nicht an. Es reicht jede geringfügige Vergrößerung der Nutzfläche aus; z. B. Vergrößerung der Nutzfläche durch eine Dachgaube, einen Balkon, eine Terrasse über die ganze Gebäudeseite, Austausch eines Flachdaches durch ein Satteldach, wodurch erstmals ausbaufähiger Dachraum geschaffen wird. Was zur nutzbaren Fläche gehört und wie diese ermittelt wird, richtet sich sinngemäß nach § 42 II. BV in Verbindung mit der WoFlV.