Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit einer ab einem späteren Zeitpunkt erteilten Prozesskostenhilfebewilligung für die Erhebung der vorläufigen Verfahrensgebühr im Finanzgerichtsprozess
Leitsatz (redaktionell)
- Wird die Prozesskostenhilfe indem Prozesskostenhilfebeschluss erst ab einem Zeitpunkt nach Klageerhebung bewilligt, sind die Kosten für die vorläufige Verfahrensgebühr gleichwohl zu erheben.
- Rückständige Gerichtskosten i.S.d. § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO sind nur solche, die ab formgerechter Antragstellung der Prozesskostenhilfe entstanden und rückständig sind.
- Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wirkt ausnahmsweise nur dann auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück, wenn der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag alles Erforderliche für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe getan hat.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 119, 122
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Die vorliegenden Erinnerungen betreffen vorläufige Kostenrechnungen, die die Kostenbeamtin des Hessischen Finanzgerichts nach Erhebung von zwei sachlich zusammenhängenden Klagen gestellt hat. Im Wesentlichen geht es um folgenden Sachverhalt:
Die Familienkasse bei der Agentur für Arbeit … hatte am 07.12.2007 gegenüber dem Erinnerungsführer zwei Einspruchsentscheidungen erlassen. Hiergegen hatte der Erinnerungsführer, vertreten durch die Verfahrensbevollmächtigte, durch zwei (getrennte) Schreiben vom 07.01.2008 (dem Gericht übermittelt per Telefax am selben Tag) jeweils Klage erhoben. Gleichzeitig hatte er den Antrag gestellt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und die Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen. In den beiden Klageschriftsätzen hatte die Verfahrensbevollmächtigte mitgeteilt, dass die Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Erinnerungsführers noch nachgereicht werden sollten. Die beiden Klagen waren von der Gerichtsverwaltung unter den Geschäftsnummern 3 K 52/08 und 3 K 53/08 registriert worden.
Am 10.01.2008 fertigte die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle unter den beiden Kassenzeichen … (zu der Geschäftsnummer 3 K 52/08) sowie … (zu der Geschäftsnummer 3 K 53/08) jeweils eine vorläufige Kostenrechnung über 220,00 €. Nachdem die beiden Kostenrechnungen bei dem Erinnerungsführer eingegangen waren, richtete die Verfahrensbevollmächtigte unter dem Datum vom 21.01.2008 an das Gericht ein Schreiben, in dem sie geltend machte, eine Kostenerhebung müsse wegen des Antrags auf PKH unterbleiben. Dem Schreiben fügte sie eine von dem Erinnerungsführer ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Das Schreiben mit der Erklärung ging am 23.01.2008 bei Gericht ein. Am 24.01.2008 erließ die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle gegenüber der Gerichtskasse eine Verfügung, wonach eine Beitreibung der Kosten zunächst zurückgestellt werden sollte (sog. Kontenbearbeitungssperre).
Durch Beschluss vom 13.10.2008 entschied das Gericht über den Antrag des Erinnerungsführers auf Bewilligung von PKH. Dabei entsprach es dem Antrag nur insoweit, als es PKH mit Wirkung ab dem 23.01.2008 gewährte und die Verfahrensbevollmächtigte beiordnete. Zur Begründung führte es u.a. aus: Der Vordruck mit der Erklärung des Erinnerungsführers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei erst am 23.01.2008 eingegangen. Somit habe erst ab diesem Zeitpunkt ein formgültiger PKH-Antrag vorgelegen. Eine Rückwirkung über diesen Zeitpunkt hinaus sei ausgeschlossen. Die Gerichtskasse forderte daraufhin die festgesetzten Kosten bei dem Erinnerungsführer wieder an (Ablauf der Kontenbearbeitungssperre am 24.03.2009).
Zu der Frage, ob die Kostenanforderung rechtmäßig ist, entstand in der Folgezeit zwischen der Verfahrensbevollmächtigten einerseits und dem Gericht (Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, beschließenden Einzelrichter) andererseits ein reger Schriftwechsel. Abschließend wies der Einzelrichter die Verfahrensbevollmächtigte durch Verfügung vom 04.01.2010 darauf hin, dass sie ihre Einwände gegen die Kostenanforderung durch den gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf geltend machen könne.
Mit Schreiben vom 11.01.2010 hat die Verfahrensbevollmächtigte die von ihr bisher schon mehrfach erhobenen Einwendungen nochmals wiederholt. Hierzu hat sie ausgeführt: Die angegriffene Kostenforderung verstoße, nachdem dem Antrag auf Bewilligung von PKH stattgegeben worden sei, offenkundig gegen § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a der Zivilprozessordnung (ZPO). Hiernach habe die PKH-Bewilligung zur Folge, dass rückständige Gerichtskosten nicht mehr angefordert werden könnten. Ansonsten verliere der Bewilligungsbeschluss seinen Sinn.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten jeweils als Erinnerung gegen die Kostenansätze in den anhängigen Klageverfahren gewertet. Am 07.07.2010 hat er entschieden, dass der jeweiligen Erinnerung nicht abgeholfen wird. Gleichzeitig hat er die Vorgänge der zuständigen Bezirksrevisorin mit der Bitte um Prüfung und entsprechende Weisung ...