Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertungsverbot bei Ermittlungsmaßnahme der Steuerfahndung
Leitsatz (redaktionell)
Für die Rechtmäßigkeit und Verwertbarkeit einzelner Ermittlungsmaßnahme der Steuerfahndung kommt es nur darauf an, ob ihr die ergriffenen Maßnahmen in dem jeweiligen Verfahren zustehen, nicht dagegen darauf, dass die Steuerfahndung auch zu erkennen gibt, in welchem Verfahren sie diese Maßnahmen ergreift.
Normenkette
AO § 119 S. 1, § 125 Abs. 1, § 208
Streitjahr(e)
1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998, 1999, 2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1991–2000 sowie der Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1992, 01.01.1993 und 01.01.1995.
Die Antragstellerin wurde in 1991 zusammen mit ihrem am 12.11.1991 verstorbenen Ehemann und in den Folgejahren einzeln zur Einkommensteuer veranlagt, nachdem sie Einnahmen aus Versorgungsbezügen, Renten, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung erklärt hatte.
Am 27.05.2002 leitete die Steuerfahndung des FA ein Strafverfahren gegen die Antragstellerin ein, weil sie verdächtigt wurde, in den Jahren 1996 bis 1999 Einkommensteuer verkürzt zu haben (Bl. 7 „Sonderband”). Neben einer Belehrung nach § 163a Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 136 StPO enthält dieses Schreiben folgenden Hinweis: „Die Steuerfahndung hat auch die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1991–1995 zu ermitteln (§ 169 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AO). In diesem Besteuerungsverfahren besteht ein Aussageverweigerungsrecht nach der StPO nicht. Insoweit weise ich Sie auf Ihre Mitwirkungspflichten hin (§§ 90 Abs. 1, 93, 97, 208 Abs. 1 Satz 2, 200 AO). Ich bitte daher, für die Zeiträume 1991–1995 die entsprechenden Vermietungsunterlagen vorzulegen (vgl. hierzu die Ausführung zum strafrechtlichen Zeitraum).”
Der Steuerfahndungsbericht vom 21.07.2003 erging ausweislich Tz. 1: „Art des Verfahrens” im „Steuerstrafverfahren gem. §§ 386, 387, 88 Abs. 1, 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO”. Nach Tz. 7 des Berichtes waren die von der Antragstellerin nacherklärten Kapitaleinnahmen der Jahre 1991–1992 (weiterhin) nicht korrekt angegeben und die Zinseinnahmen der Veranlagungszeiträume 1997, 1999 und 2000 in den abgegebenen Einkommensteuererklärungen in unzutreffender Höhe erklärt worden. Darüber hinaus hatte die Antragstellerin in 1997 bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung neben den Schuldzinsen, Abschreibungsbeträgen etc. die übrigen Werbungskosten mit 42,-- DM/qm angesetzt und im Rahmen der zu erklärenden Bruttoeinnahmen die Umlagen zu niedrig mit 1,00 DM/qm pauschal berücksichtigt. Außerdem waren die Mieteinnahmen nicht in der tatsächlichen Höhe angegeben und Kosten für Hausverwaltung etc. in pauschaler Höhe als Werbungskosten geltend gemacht worden, ohne dass dem Grunde nach solche Aufwendungen vorgelegen hätten. Schließlich hatte die Antragstellerin die Werbungskosten nicht im Verhältnis der eigenen zur vermieteten Fläche aufgeteilt. Abgesehen davon stellte die Steuerfahndung zum 01.01.1992, 01.01.1993 und 01.01.1995 steuerpflichtige Vermögensgegenstände fest.
Der Antragsgegner (das Finanzamt –FA–) folgte den Feststellungen der Steuerfahndung und erließ am 4. September 2003 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für 1991 bis 2000 sowie Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1992, 01.01.1993 und 01.01.1995. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung, die das FA am 15.09.2003 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gewährte. Den Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 1991 bis 2000 sowie gegen die Vermögensteuerbescheide auf den 01.01.1992, 01.01.1993 und 01.01.1995 wies das FA am 28.06.2004 zurück und widerrief - im Hinblick auf einen zwischenzeitlich von der Bußgeld- und Strafsachenstelle beantragten Strafbefehl - am 02.09.2004 die Aussetzung der Vollziehung vom 15.09.2003. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit der Einspruchsentscheidung vom 04.10.2004 als unbegründet zurück. Ihren daraufhin gestellten Antrag auf gerichtliche Vollziehungsaussetzung begründet die Antragstellerin damit, dass die angefochtenen Steuerbescheide nichtig seien. Entscheidend sei, dass Steuerverwaltungsakte, die die ermittelten Besteuerungsgrundlagen nicht selbst enthielten oder auf sie – durch beigefügte Anlagen – nicht hinwiesen, inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und damit nichtig seien. Darüber hinaus sei für sie – die Antragstellerin – nicht erkennbar gewesen, dass die Steuerfahndungsstelle im Steuerermittlungsverfahren und nicht – wie im Fahndungsbericht dargestellt – im Steuerstrafverfahren geprüft habe. Wolle die Steuerfahndung wie im Streitfall im Besteuerungsverfahren (sog. isolierte Fiskalermittlung) ermitteln, müsse sie dies den Beteiligten wegen deren andersartiger Rechtsstellung mitteilen. Das Gebot der Klarheit und Zweckrichtigkeit des Verfahrens erforderten eine entsprec...