Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Leistungsempfängers bei Inanspruchnahme der sog. Nullregelung (§ 52 Abs. 2 UStDV) für Leistungen ausländischer Scheinunternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Führt der Empfänger die Umsatzsteuer tatsächlich an das Finanzamt ab oder behält der inländische Leistungsempfänger die Umsatzsteuer aus Vorsicht gleich selbst ein und leitet sie an das Finanzamt weiter, besteht keine Veranlassung, die Person des Leistenden abweichend von den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen zu bestimmen, selbst wenn es sich bei dem inländischen Rechnungsaussteller um einen Scheinunternehmer handelt.
  2. Bei der Nullregelung des § 52 Abs. 2 UStDV handelt es sich um eine Verkürzung des Zahlungsweges, wobei der Anspruch des Finanzamts gegen den inländischen Leistungsempfänger auf die für den ausländischen Unternehmer einzubehaltende und abzuführende Umsatzsteuer mit dem Vorsteuerabzug verrechnet wird.
  3. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei Inanspruchnahme der sog. Nullregelung des § 52 Abs. 2 UStDV für ausländische Rechnungsaussteller eine Haftungsinanspruchnahme des Leistungsempfängers überhaupt möglich ist, selbst wenn es sich bei dem Rechnungsaussteller um einen Scheinunternehmer handelt, da es nicht zu einem Steuerausfall in der Unternehmerkette kommen kann.
 

Normenkette

UStG § 18 Abs. 8; UStDV § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 55; FGO § 69 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

1999

 

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Aussetzungsantrag gegen den Haftungsbescheid vom 16.6.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.2.2000, mit dem sie der Antragsgegner (das Finanzamt - FA-) in Höhe von ... DM wegen nicht einbehaltener Umsatzsteuer nach § 55 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) aus Rechnungen der englischen Firma A in Haftung genommen hat.

Das FA hat die Haftungsinanspruchnahme im wesentlichen wie folgt begründet: Bei der Rechnungsausstellerin handele es sich um eine ausländische Gesellschaft ohne Sitz oder Zweigniederlassung im Inland. Geringe Lohnsteuerbeträge seien an das FA B nur abgeführt worden, um den Eindruck zu erwecken, die Gesellschaft käme ihren steuerlichen Pflichten nach. Daher habe die Antragstellerin aus den Zahlungen an die ausländische Gesellschaft Umsatzsteuer einbehalten und an das FA abführen müssen. Zwar sei in den Rechnungen keine USt ausgewiesen. Die Nullregelung scheitere jedoch, weil aus den Rechnungen kein Vorsteuerabzug möglich gewesen wäre. Bei der A handele es sich um eine Briefkastenfirma. Das Stammkapital der A betrage nur 2 englische Pfund. Nach Auskunft des Bundesamtes für Finanzen sei am angegeben Sitz kein Büro oder Telefonanschluß festgestellt worden. Der Direktor C sei als Geschäftsführer weiterer Briefkastenfirmen bekannt. Tatsächlich Leistende seien vermutlich Hintermänner gewesen, nämlich eine niederländische Organisation, die unter dem fremden Namen der A aufgetreten sei. Die Barschecks seien von einem D aus N entge-gengenommen worden, der eine Handlungsvollmacht der A vorgelegt habe. Diese sei von einem Herrn E unterzeichnet worden, der in keinem erkennbaren Zusammenhang zum Geschäftsführer der A - C - stehe.

Nach Zurückweisung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung hat die Antragstellerin einen gerichtlichen Aussetzungsantrag gestellt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe von einer Einbehaltung von Umsatzsteuer absehen dürfen, weil die Voraussetzungen der Nullregelung gegeben seien. In den Rechnungen sei vereinbarungsgemäß keine Umsatzsteuer ausgewiesen worden. Die Gefahr eines Steuerausfalls wegen eines Vorsteuerabzugs aus nicht versteuerten Rechnungen bestehe daher nicht. Eine Inhaftungnahme führe vielmehr zur Doppelerhebung der Umsatzsteuer. Bei der A handele es sich auch nicht um eine Domizilgesellschaft. Sie habe beim FA B Körperschaftsteuer und Lohnsteuern abgeführt. Sie sei in der Handwerksliste der Kammer X am 24.10.1994 eingetragen worden und habe eine Betriebshaftpflichtversicherung als Hoch- und Tiefbaubetrieb abgeschlossen. Die Gesellschaft sei in England mit dem “certificate incorporation of a private Limited Company Registration Office” in Y eingetragen worden. Bescheinigungen des Sozialversicherungsträgers lägen vor. Die A habe zur Ausführung ihrer Aufträge ihre im Bauvertrag angegebene holländische Kooperationsadresse aufgeführt. Für die A hätten die Herren V, W, E und als Inkassobevollmächtigter D gehandelt. Nach neuerer BFH Rechtsprechung sei Leistender, wer die Leistung selbst oder durch Beauftragte erbringe. Das FA habe niemals versucht, den englischen Geschäftsführer C, dessen Anschrift dem Bundesamt bekannt sei oder die Holländer D aus N (bekannt sind Geburtsdatum und die Personalausweisnummer) oder E ausfindig zu machen. Der Haftungsbescheid sei ermessensfehlerhaft, weil kein Verschulden der Antragstellerin vorliege. Ein Strafverfahren wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung sei eingestellt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 16.6.1999 in Form ...

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