rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung für Prostituierte bei Teilnahme am sog. Düsseldorfer Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Die freiwillige, sammelweise Anmeldung und Abführung eines allgemeinen Vorauszahlungsbetrages je Arbeitstag durch den Betreiber einer erotischen Einrichtung (Düsseldorfer Verfahren) führt nicht dazu, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung nach § 18 Abs. 1 UStG ausgesetzt wird.
- Das in einer Informationsschrift näher beschriebene Anerbieten der Landesfinanzverwaltung an die Prostituierten, durch Vermittlung der Betreiber der erotischen Einrichtung an diesem Verfahren teilzunehmen, stellt keine Allgemeinverfügung im Sinne des § 118 S. 2 AO dar.
- Die sammelweise Anmeldung und Abführung der Tagessätze durch den Betreiber der erotischen Einrichtung ist ein schlichter Zahlungsvorgangs im Sinne des § 224 Abs. 1 S. 1 AO, der zur Sicherung einer vermuteten Steuerschuld dient, ohne in Bezug auf die Steuerschuld eine rechtliche Abgeltungswirkung zu entfalten (vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren).
- Der Verzicht auf Maßnahmen zur Überwachung und Durchsetzung der steuerlichen Pflichten der am Düsseldorfer Verfahren teilnehmenden Prostituierten stellt kein strukturelles Vollzugsdefizit dar, das zur Verfassungswidrigkeit der Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen nach § 18 Abs. 1 UStG im Verbindung mit §§ 155 Abs. 1 S. 1, 167 Abs. 1 S. 1 AO gegenüber anderen Prostituierten führt.
Normenkette
UStG § 18 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Prostituierte, die an dem sog. Düsseldorfer Vorauszahlungsverfahren teilgenommen haben.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist insoweit teilweise begründet, als der Antragsgegner die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 9 UStG im Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Kalendervierteljahr 2009 vom 20.07.2009 der Höhe nach unter Verletzung des § 162 AO geschätzt hat. Im Übrigen hat der Antrag keinen Erfolg.
1. Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung auch ohne Sicherheitsleistung ganz oder teilweise aussetzen, wenn und soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen dann, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Aspekte zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit bei der Beurteilung von Tatfragen zur Folge haben (BFH vom 10.02.1967 – III B 9/66, BStBl. III 1967, 182; BFH vom 17.05.1978 – I R 50/77, BStBl. II 1978, 579; BFH vom 28.05.1986 – I B 22/86, BStBl. II 1986, 656). Bei der hierbei notwendigen Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist dabei, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen (BFH vom 23.08.2004 – IV S 7/04, BFH/NV 2005, 9). Es genügt vielmehr die nicht fernliegende und ernsthafte Möglichkeit, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren obsiegt (BFH vom 26.06.2003 – X S 4/03, BFH/NV 2003, 1217). Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt allerdings nicht (BFH vom 11.06.1968 – VI B 94/67, BStBl. II 1968, 657).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsgegner (das Finanzamt, im Folgenden: ,FA') dem Grunde nach einen Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Kalendervierteljahr 2009 erlassen durfte. Nach Aktenlage und unter Berücksichtigung der präsenten Beweismittel war die Antragstellerin zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Kalendervierteljahr 2009 verpflichtet und ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, weshalb das FA nach §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 167 Abs. 1 Satz 1, letzte Variante AO ermächtigt war, für diesen Voranmeldungszeitraum unter Ansatz geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) einen Vorauszahlungsbescheid zu erlassen.
a) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG i.V.m. §§ 149 Abs. 1 Satz 1, 150 Abs. 1 Satz 3 AO hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu übermitteln und die selbst errechnete Vorauszahlung bis zum 10. Tag zu entrichten. Voranmeldungszeitraum ist grundsätzlich das Kalendervierteljahr
(§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG). Das FA kann den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe einer Voranmeldung befreien, wenn die Steuer des vorangegangenen Kalenderjahres weniger als 1.000,- Euro beträgt (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG i.d.F. ab 2009 i.V.m. Abschn. 225a Abs. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien). Da die Antragstellerin Unternehmerin ist und in ihrer beim FA eingereichten Umsatz...