Entscheidungsstichwort (Thema)
Factoring beim Ankauf von Insolvenzforderungen
Leitsatz (redaktionell)
- Ein steuerbarer Leistungsaustausch im Sinne eines Factoring liegt auch vor, wenn es sich bei den angekauften Forderungen zum größten Teil um Insolvenzforderungen handelt, deren Einziehung ist sich wirtschaftlich auf die Verwertung der bestehenden Sicherheiten beschränkt.
- Das Entgelt der Factoring-Dienstleistung bestimmt sich als Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderung und dem vereinbarten Kaufpreis, abzüglich der in diesem Betrag enthaltenen Umsatzsteuer.
Normenkette
UStG §§ 2, 13b Abs. 2
Streitjahr(e)
2005
Tatbestand
Streitig ist, ob – und ggf. in welcher Höhe – die in London ansässige A Ltd. umsatzsteuerpflichtige Factoringleistungen gegenüber der ASt.in (ASt.in) erbrachte.
Die ASt.in ist ein deutsches Kreditinstitut in der Rechtsform einer AG. Mit Vertrag vom 18.02.2005 („Kaufvertrag”) verkaufte sie – durch Portfolio-Sicherheiten (v.a. Grundpfandrechte) besicherte – Forderungen aus Darlehensverträgen mit einem Gesamtnennwert von 295.600.000 EURO („Kreditportfolio”) für einen Kaufpreis von 42.411.000,00 EURO an die A Ltd. Diese ist eine für den Erwerb des Portfolios gegründete Zweckgesellschaft, deren Tätigkeit sich auf das Halten des erworbenen Kreditportfolios und die Beauftragung der Firma B GmbH als sog. Servicer beschränkt.
Die dem Kreditportfolio zugrunde liegenden Darlehensverträge hatte die ASt.in im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits ausnahmslos wegen Zahlungsverzuges der Darlehensnehmer gekündigt (sog. Non-Performing-Loans – NPL –). Bei dem größten Teil der Forderungen (86%) handelt es sich um Forderungen gegen Schuldner, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In § 8.2.21 des Kaufvertrages sicherte die ASt.in der A Ltd. zu, dass alle Forderungen rechtzeitig zur Insolvenztabelle angemeldet wurden. Soweit die Forderungen nicht insolvenzverhaftet waren, beruhte dies im Wesentlichen auf der Abweisung von Insolvenzanträgen mangels Masse oder weil die Durchführung eines Insolvenzverfahrens aus anderen Gründen nicht Erfolg versprechend erschien.
Laut § 3 Tz 3.4.1. des Vertrages gingen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass der Verkauf der Portfolio-Forderungen kein Factoring ist und damit nicht in den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 3. Juni 2004 (BStBl I 2004, 737) zur Umsatzsteuer beim Forderungskauf und Forderungseinzug fällt. Weiterhin regelten die Beteiligten unter Tz 3.4.2:
„Für den Fall, dass die Finanzverwaltung insoweit eine andere Auffassung vertreten sollte, trägt die anfallende Umsatzsteuer die Verkäuferin. Für diesen Fall legen die Verkäuferin und die Käuferin nachfolgend die für die Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage relevanten Daten fest:
(a) Voraussichtlich realisierbarer Teil der Portfolio-Forderungen:
EUR 50.182.000,00 (in Worten: 50 Millionen einhundertzweiundachtzig-tausend).
(b) Die Parteien vereinbaren, dass die Käuferin einen Teil des Differenzbetrages zwischen dem voraussichtlich realisierbaren Teil der verkauften Portfolio-Forderungen und dem Kaufpreis für eine Kreditgewährung erhält, da die Verkäuferin den voraussichtlich realisierbaren Teil der verkauften Portfolio-Forderungen ansonsten erst über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren realisiert hätte. Bei einem von den Parteien vereinbarten kalkulatorischen Zinssatz von 4,5% pro Jahr ergibt sich damit ein auf die Kreditgewährung entfallender Teilbetrag aus dem Differenzbetrag in Höhe von EUR 4.771.000,00 (in Worten: vier Millionen siebenhunderteinundsiebzigtausend Euro).
(c) Der verbleibende Differenzbetrag ist um die darin enthaltene Umsatzsteuer zu kürzen.”
Nachdem das FA der USt-Jahreserklärung 2005 zunächst zugestimmt hatte, änderte es die Steuerfestsetzung am 11.04.2007 und nahm die ASt.in für die ihr gegenüber von der A Ltd. erbrachten Leistungen als Steuerschuldnerin nach § 13 b Abs. 1 Nr. 1 UStG in Anspruch. Dagegen legte die ASt.in Einspruch ein und beantragte – erfolglos – Aussetzung der Vollziehung.
Mit ihrem Antrag verfolgt die ASt.in ihr Rechtsschutzbegehren weiter und bringt unter Bezugnahme auf das Verfahren 6 V 2225/06 vor, es bestünden ernstliche Zweifel am Vorliegen einer gegen Entgelt erbrachten Einziehungsleistung (a), an der Leistung eines Unternehmers (b) sowie an der Ermittlung des steuerpflichtigen Entgelts (c):
a) Zunächst sei ernstlich zweifelhaft, ob die A Ltd. gegenüber der ASt.in eine Einziehungsleistung erbracht habe. Selbst wenn ein Forderungseinzug vorliege, sei zumindest zweifelhaft, ob dieser im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustausches erfolgte:
aa)Da die verkauften Forderungen zahlungsgestört seien und sich ganz überwiegend gegen Insolvenzschuldner richteten, sei es der A Ltd. nicht möglich gewesen, die Forderungseinziehung durch eigene aktive Tätigkeiten zu fördern. Die Forderungen seien von ihr bereits zur Insolvenztabelle angemeldet worden; weitergehende Handlungen zur Forderungseinziehung könne der Insolvenzgläubiger –...