Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VIII R 20/22 )]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalertrag durch vergleichsweise vereinbarten Nutzungsersatz bei Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags
Leitsatz (redaktionell)
- 1. Nach Widerruf eines Darlehensvertrags als Ersatz für Nutzungsvorteile der Bank vereinbarter Nutzungsersatz zugunsten des Darlehensnehmers ist insgesamt steuerbare Kapitalerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
- 2. Der Steuerbarkeit des Nutzungsersatzes steht die höhere gegenläufige Nutzungsherausgabe des Darlehensgebers an die Bank nicht unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht entgegen; ein diesbezüglicher Werbungskostenabzug scheidet nach § 20 Abs. 9 EStG aus.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 9
Streitjahr(e)
2017
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückzahlung eines Darlehens inklusive Zinsen im Rahmen der aufgrund eines Vergleichs durchgeführten Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrages mit Blick auf die im Vergleich als Nutzungsersatz bezeichnete Forderung und die anschließend bewirkte Zahlung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zu zählen ist.
Die Klägerin schloss mit der Bank A am 23.05.2006 einen Darlehensvertrag über ursprünglich 89.500 Euro zu einem Nominalzins von 5,1% pro Jahr. Zudem entrichtete sie eine Bearbeitungsgebühr von 150 Euro. Nach erklärtem Widerruf verglichen sich beide Vertragsparteien am 08.05.2017 vor dem OLG Frankfurt am Main auf die Rückzahlung sowohl einer „Vorfälligkeitsentschädigung“ von 5.113,09 Euro als auch auf die Zahlung eines als kapitalertragsteuerpflichtig angesehenen „Nutzungsersatzes“ von 5.133,36 Euro an die Klägerin. Zudem wurde die Abgeltung aller sonstigen Ansprüche aus dem Darlehen durch den Vergleich vereinbart. Die Zahlungen wurden bewirkt. Die Bank A erteilte eine Steuerbescheinigung. Darin war die Höhe der Kapitalerträge mit 5.133,55 Euro angegeben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vergleich vom 08.05.2017, den Darlehensvertrag vom 23.05.2006 und die Steuerbescheinigung der Bank A Bezug genommen (Bl. 12 ff., 15 ff. Prozessakte; Bl. 14 Einkommensteuerakte).
Am 25.02.2018 reichte die Klägerin ihre Einkommensteuererklärung ein und begehrte im Rahmen eines fristgemäßen Einspruchs wohl gegen die im Zusammenhang mit dem Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 03.05.2018 erlassene Anrechnungsverfügung die Berücksichtigung der von der Bank A in der Steuerbescheinigung ausgewiesene Anrechnung der Kapitalertragsteuer.
Mit Änderungsbescheid vom 04.09.2019 zum Einkommensteuerbescheid 2017 setzte der Beklagte den Rückzahlungsbetrag abzüglich des Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 Euro, mithin in Höhe von 4.332 Euro, als Einkünfte aus Kapitalvermögen fest. Die bescheinigte Kapitalertragsteuer wurde in der Anrechnungsverfügung berücksichtigt.
Den dagegen am 04.10.2019 eingelegten Einspruch, den die Klägerin damit begründete, dass der Betrag von 5.133,36 Euro nicht der Besteuerung unterliege, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.03.2020 als unbegründet zurück. Im Wesentlichen wurde die Zurückweisung darauf gestützt, dass unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG Kapitalforderungen jeder Art unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Ausgestaltung fallen würden. Für die Qualifizierung von Zinsforderungen als Kapitalforderungen sei lediglich die Überlassung von Kapital entscheidend. Die zivilrechtliche Qualifizierung der Zinsforderung sei dagegen steuerlich unbeachtlich. Auch die BMF-Schreiben vom 12.04.2018 (BStBl I 2018, 624) und 18.01.2016 (BStBl I 2016, 85) würden den Nutzungsersatz als einkommensteuerbar und einkommensteuerpflichtig erfassen.
Dagegen richtet sich die am 27.04.2020 bei Gericht eingegangene Klage.
Nach Auffassung der Klägerin sei das gesamte (wechselseitige) Rückabwicklungsverhältnis bei der Qualifizierung der Einkünfte der Klägerin aus dem Vergleich zu betrachten. Danach stünde den zu leistenden 5.133,36 Euro aus dem Nutzungsersatzanspruch der Klägerin der Anspruch des Darlehensgebers auf Nutzungsherausgabe gegenüber. Da die Verzinsung der Nutzungsherausgabe von 5,1% p.a. größer sei als die Verzinsung des Nutzungsersatzes, die von der Rechtsprechung regelmäßig auf 2,5% p.a. festgelegt werde, könnten aus dem Nutzungsersatzanspruch der Klägerin keine positiven Einkünfte durch den Beklagten festgesetzt werden. Unter Berufung auf die Urteile des Landgerichts Essen vom 22.01.2016 (Az. 17 O 164/15) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11.01.2017 (Az. 4 U 144/15) sei daher nicht von einem Überschuss auszugehen. Zudem verteile sich aufgrund der Abgeltungsklausel im geschlossenen Vergleich der Nutzungsersatzanspruch wirtschaftlich betrachtet auch auf die Rückabwicklung der Zins- und Tilgungsleistungen und die Erstattung von Zinsdifferenzen für die Zeiträume bis zum Widerruf und danach. Der Zahlungsanspruch müsse daher auf vier Positionen aufgeteilt werden, wobei ...