vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [X R 15/22)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben bei einer privat organisierten Solidargemeinschaft
Leitsatz (redaktionell)
Die Abzugsfähigkeit von Beiträgen an einen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegenden Solidarverein, der Leistungen in Krankheitsfällen gewährt, als Sonderausgaben setzt voraus, dass auf die Leistungen des Vereins ein Rechtsanspruch besteht, der – wie die Ansprüche der Versicherten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung – unentziehbar ist (hier vom FG verneint, aufgehoben durch BFH, Urteil vom 23. August 2023 – X R 15/22).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 2; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, § 176 Abs. 2; VVG § 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Streitjahr(e)
2016
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Zahlungen an einen A-verein als Vorsorgeaufwendungen im Krankheitsfall (Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben für die Mitgliedschaft bei der B (im Folgenden: B) als anderweitige Absicherung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3a) des Einkommensteuergesetzes -EStG- i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Sozialgesetzbuchs Teil 5 -SGB V-).
In der elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die als Eheleute zusammenveranlagten Kläger u.a. Beiträge der Klägerin an die B als Sonderausgaben geltend.
Ausweislich der beigefügten Beitragsbescheinigung der B (Bl. 28 ESt-Akte) zahlte die Klägerin für das Streitjahr insgesamt Beiträge in Höhe von … EUR, welche sich zusammensetzten aus … EUR nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG (Basisschutz Krankenversicherung), … EUR nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG (Pflegeversicherung Basisschutz) sowie … EUR, welche nach KVBEVO (Krankenversicherungsbeitragsanteil-Ermittlungsverordnung) nicht berücksichtigungsfähig seien.
In einer weiteren Bescheinigung vom 29.04.2021 (Bl. 198 d.A.) wird der Klägerin bestätigt, dass sie einen Rechtsanspruch auf eine umfassende flexible Kranken-versorgung habe, wobei dieser Rechtsanspruch auf die zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt sei, eine Rückversicherung für Kosten ab … EUR/Jahr bestehe und die Krankenversorgung mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspräche.
In der Satzung der B vom 13.07.2013 (Bl. 54 ESt-Akte) sowie in der Satzung vom 16.04.2016 (Bl. 147 d.A.) heißt es u.a.:
„§ 2 Zweck des Vereins
(1) Die B ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung.
(2) Zwecke des Vereins sind:
a. Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht; […].
(3) Die Satzungszwecke werden insbesondere dadurch verwirklicht,
a. dass im Krankheitsfall jedes Mitglied eine umfassende und flexible Krankenversorgung erhält; […].
c. dass ein angemessenes Beitragsaufkommen, eine angemessene Rücklagenbildung und sonstige Risikoabsicherung sowie eine kostenbewusste Haushaltsführung sichergestellt wird.
(4) Mit der Umsetzung der Satzungszwecke werden die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG erfüllt.“
Die in § 2 Abs. 1 der Satzung in Bezug genommene Norm des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in der beim Inkrafttreten der Satzung gültigen Fassung (a.F.; § 3 Abs. 1 Nr. 1 VAG in der seit 01.01.2016 geltenden Fassung) lautete: „Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht: Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Berufsverbände“.
Die Beiträge werden gemäß § 5 (1) der Satzung in einer Beitragsordnung (BO) geregelt; der Umfang der Zuwendungen ergibt sich aus der Zuwendungsordnung (ZO).
Die Mitglieder der B leisten einkommensabhängige Beiträge nach Maßgabe der BO. Die Hälfte der Beiträge wird danach einem Individualkonto des Mitglieds gutgeschrieben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 BO). Die Auszahlung dieses Guthabens kann jedes Mitglied zur Deckung seiner Krankheitskosten – im Rahmen einer Zuwendungsordnung (ZO) – verlangen (§ 5 Abs. 2 der Satzung). Die andere Hälfte der Beiträge wird einem A-fonds gutgeschrieben (§ 4 Abs. 4 BO). Nicht verbrauchte Individualkonten gehen am Jahresende in den A-fonds über (§ 4 Abs. 5 Satz 2 BO).
Zu Auszahlungen aus dem A-fonds bestimmt § 5 Abs. 3 der Satzung: „Aus dem A-fonds können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder eine andere gebotene Form der Therapie entscheidet der Vorstand nach...