Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung eines Sexshops/einer Videothek
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Kassenbuchführung einer eines Sexshops mit Videothek muss zum Vorliegen der Kassensturzfähigkeit nachvollziehbar sein, in welcher Höhe Einnahmen aus der Leerung der Videokabinen und/oder Einnahmen aus dem Kinobereich vorliegen.
- Zur Ordnungsmäßigkeit einer Kassenbuchführung muss sich feststellen lassen, wie die Tageseinnahmen ermittelt wurden, welche Geldbestände tatsächlich in der Kasse waren und wann die Kassen der Videokabinen gelehrt wurden.
Normenkette
AO §§ 162, 173 Abs. 2, §§ 146, 158
Streitjahr(e)
1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Änderung der Einkommensteuer-, Umsatzsteuer - und Gewerbesteuermessbescheide der Jahre 1996 bis 2006 sowie der Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1996 bis 31.12.2006.
Dem Rechtsstreit liegt nachstehender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin betreibt seit dem Jahr 1995 den Sexshop/Videothek „A” in eigenen Räumen in B. Sie verkauft und verleiht Videos und DVDs sowie Magazine und andere entsprechende Produkte; ferner betreibt die Klägerin ein Großraumkino und stellt Kabinen bereit. Die Klägerin ermittelte den Gewinn nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Das Geschäft war im Streitzeitraum täglich von 9.00 Uhr bis 24.00 Uhr geöffnet. Der Ehemann der Klägerin war als angestellter Geschäftsleiter für das Unternehmen tätig; seine Aufgabe bestand darin, alle im Betrieb anfallenden Tätigkeiten zu übernehmen, vornehmlich Wareneinkauf und Verkaufskoordination (Anstellungsvertrag aus 1995 Blatt 800 bis 802 Strafakte VI). Am 09.03.1996 brannte es in dem Geschäftslokal. Der Betrieb wurde in der 2. Julihälfte 1996 insoweit wieder aufgenommen, als im rückwärtigen Teil Filme vorgeführt wurden. Am 21.08.1996 wurde das Geschäft wieder eröffnet. Die Gutachten des Sachverständigen C zur Höhe des Feuer- und Betriebsunterbrechungsschadens, auf die Bezug genommen wird, datieren vom 18.03.1996 und 24.09.1996 (Blatt 46 ff. Klageakte I).
Im Jahr 1999 war bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 durchgeführt worden. Anlässlich dieser Prüfung blieb der ausgewiesene Gewinn für das Jahr 1995 unverändert; für 1996 erfolgte auf Grund des gezahlten Schadensersatzes durch die Versicherung eine Erhöhung und für 1997 minderte der Prüfer den ausgewiesenen Verlust. Auf den Bericht vom 17.01.2001 (Sonderband für Betriebsprüfungsberichte) wird Bezug genommen. Das beklagte Finanzamt (im Weiteren: der Beklagte) hatte nach dieser Betriebsprüfung nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Steuerbescheide erlassen und den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
In der Zeit vom 10.09.2007 bis 17.12.2009 wurde bei der Klägerin erneut eine Prüfung durchgeführt. Auf Grund der anlässlich dieser Prüfung gewonnen Erkenntnisse wurde am 03.03.2008 ein Steuerstrafverfahren betreffend die Jahre 2002 bis 2005 eingeleitet. Am 16.07.2008 wurde die Prüfung auf die Jahre 1996 bis 2004 und 2006 erweitert, „da mit erheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist und der Verdacht einer Steuerstraftat besteht” (Blatt 674 Strafakte Band IV).
Der Prüfer verwarf die Buchführung der Klägerin als nicht ordnungsgemäß; es kam zu Schätzungen beim Umsatz und zu einer entsprechenden Erhöhung des Gewinns. Auf den Bericht vom 01.02.2010 wird Bezug genommen. Basierend auf dem Ergebnis dieser Prüfung erließ der Beklagte am 16.04.2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Steuerbescheide, gegen die Einspruch eingelegt wurde. Vor Erlass der Einspruchsentscheidung durch den Beklagten hatte die Klägerin bei Gericht Aussetzung der Vollziehung beantragt. Mit Beschluss vom 13.10.2010 (12 V 1560/10) minderte das Gericht die Zuschätzung um 24 v.H.. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.02.2011 setzte der Beklagte das Ergebnis des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens um und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück.
Mit der Klage wird weiterhin vorgetragen, zum einen lägen die Voraussetzungen für eine Schätzung bereits dem Grunde nach nicht vor, zum anderen seien die erfolgten Schätzungen auch der Höhe nach nicht zutreffend. Die Buchführung der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Im Einzelnen wird Folgendes geltend gemacht:
1. Umsatzerlöse aus Kino und Kabinen
Die Einnahmen aus dem Kinobetrieb seien von dem jeweiligen Mitarbeiter, die Einnahmen aus dem Kabinenbetrieb seien vom Geschäftsführer erfasst worden. Die Summe sei sodann in ein Einnahmenblatt übertragen worden. Der Geschäftsführer habe den Einnahmen aus den Kabinen die Einnahmen aus dem Kinobetrieb hinzuaddiert. Die Einnahmen hätten, bis auf die zeitversetzte Erfassung der Kabineneinnahmen, den tatsächlichen Einnahmen entsprochen. Eine Schätzung habe sich an den tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren; die Bildung eines Du...