Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltskosten im Zivilprozess als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten ist nicht auf die Zwangsläufigkeit der Zahlungsverpflichtung selbst abzustellen, sondern darauf, ob das Ereignis, durch das der Rechtsstreit letztlich veranlasst worden ist, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war, er mithin dem Prozess aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung oder einer tatsächlichen Zwangslage nach den Gegebenheiten des Einzelfalls nicht ausweichen konnte.
- Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich berührt und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
- Prozesskosten für rechtliche Unklarheiten in Bezug auf eine zu Lasten eines im Eigentum des Klägers stehenden 12 qm großen Grundstücks eingetragene Grunddienstbarkeit berühren nicht die Existenzgrundlage bzw. die lebensnotwendigen Bedürfnisse und sind daher nicht zwangsläufig.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 06.02.2012; Aktenzeichen VI R 39/11) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.381,36 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG), die nach Abzug der zumutbaren Belastung
(= 6% vom Gesamtbetrag der Einkünfte) zu einem abziehbaren Betrag in Höhe von 525,-- € führen würden. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2004 als Maschinenbau-Techniker Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung 2004 beantragte er u. a. Anwaltskosten in Höhe von 2.381,36 € für einen Rechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) hat in dem Einkommensteuerbescheid 2004 vom 08.02.2005 diese Aufwendungen nicht berücksichtigt. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 03.11.2005 wird Bezug genommen.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Berücksichtigung der Aufwendungen für den Rechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe als Eigentümer seines im Grundbuch eingetragenen Grundbesitzes beim Amtsgericht F. die Löschung einer gegenstandslosen Eintragung bzw. hilfsweise die Eintragung eines Widerspruchs in das Grundbuch beantragt. Gegenstand der Grundbuchangelegenheit und der Zivilstreitigkeit sei eine für seinen Grundbesitz in der Ortslage von B. eingetragene Belastung bzw. Grunddienstbarkeit. Die Anträge seien zunächst durch Beschlüsse des Amtsgerichts F. bzw. im Rahmen eines
Beschwerdeverfahrens durch das Landgericht M. abgelehnt worden. Das Oberlandesgericht habe in den Beschlüssen des Amtsgerichts F. und des Landgerichts M. eine Verletzung des Rechts festgestellt, die beanstandeten Beschlüsse aufgehoben und die Sache zur erneuten Überprüfung und Entscheidung an das Landgericht M. zurückverwiesen. Zwischenzeitlich habe eine dritte Person ein Zivilverfahren initiiert, das gegenwärtig ebenfalls beim Landgericht M. im Berufungsverfahren verhandelt werde und das im unmittelbaren Zusammenhang mit der geschilderten Angelegenheit stehe. Auch in diesem Fall müsse er sich infolge gesetzlicher Vorschriften durch einen Rechtsanwalt vor dem Landgericht vertreten lassen, die dabei entstehenden Kosten seien gleichwohl als außergewöhnliche Belastungen aufgeführt. Ohne Führung dieses Zivilverfahrens bestünde die Gefahr sowohl in materieller als auch finanzieller Form die Existenzgrundlage zu verlieren und künftig möglicherweise lebensnotwendige Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Zur Wahrung der persönlichen Interessen sei er gezwungen gewesen, die Rechtshilfe eines Anwalts zu nehmen, zumal gemäß der zivilen Prozessordnung vor Land- und Oberlandesgerichten Anwaltspflicht herrsche. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen zwangsläufig durch gesetzliche Bestimmungen und ohne seine eigene Schuld entstanden seien und die Aufwendungen auch die zumutbare Belastungsgrenze bei weitem überschritten.
Ohne Weiterführung des Rechtsstreits würden wegen fehlender Rechtsschutzversicherung für seinen Grundbesitz Kosten in Höhe von über 32.000 € entstehen. Diese Summe entspreche etwa seinem Bruttoarbeitslohn im Jahr 2004
bzw. seinem Nettoverdienst für zwei Jahre und stelle hinsichtlich der zukünftigen Lebensführung eine unzumutbare Härte dar. Die Einspruchsentscheidung vom 03.11.2005 werde der Sachargumentation des Klägers nicht gerecht.
Wegen fehlendem Zusammenhang, könnten die darin vom FA angeführten Entscheidungen des BFH vorliegend nicht zur Anwendung kommen. Verursachendes Ereignis für die als außergewöhnliche B...