Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgestaltung der Einkommensgrenze beim Kindergeld als Jahresbetrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist ein Jahresbetrag; maßgebend sind stets die gesamte Einkünfte in Veranlagungszeitraum, auch wenn in einigen Monaten des Kalenderjahrs überhaupt keine Einkünfte und Bezüge des Kindes vorliegen, ein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern besteht und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dadurch gemindert ist..
2. Gegen die Ausgestaltung des Grenzbetrages in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Jahresbetrag bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. Schwankungen in der Höhe der Einkünfte und Bezüge werden bei der Berechnung des Grenzbetrages nicht berücksichtigt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, S. 2
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Sohn des Klägers für die Zeit von Januar bis März 2003 und eine damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von 462,-- Euro.
Der Kläger ist Versorgungsempfänger und bezog von der Kindergeldkasse des Beklagten (Regierungspräsidium - RP -) laufend Kindergeld für seinen am…1976 geborenen Sohn H, zuletzt aufgrund der Kindergeldfestsetzung vom 10.09.2002. Der Sohn H schloss sein Studium der Chemie im Dezember 2002 ab und begann im April 2003 mit einem Promotionsstudium. Ab diesem Zeitpunkt trat er eine halbe Assistentenstelle an, aus der er ein Jahreseinkommen in Höhe von 12.600,-- Euro erzielte. Mit Bescheid vom 01.04.2003 hob daraufhin das RP die Kindergeldfestsetzung mit der Begründung auf, dass die Einkünfte des Sohnes im Kalenderjahr 2003 die Einkommensgrenze gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) übersteigen werden. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 wird Bezug genommen.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 01.04.2003 und der damit verbundene Erstattungsforderung des RP in Höhe von 462,-- Euro. Zur Begründung trägt er vor, dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das erste Quartal 2003 nach seiner Auffassung nicht rechtens ist. Durch das Jahressteuergesetz 1996 sei das Monatsprinzip eingeführt worden. In den Monaten Januar bis März 2003 habe sein Sohn keine eigenen Einkünfte gehabt. Die Kindergeldberechtigung habe sich aus § 32 Abs. 4 Nr. 2 b EStG ergeben. Dementsprechend sei der Kläger auch während dieses Zeitraums nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verpflichtet gewesen, seinem Sohn Unterhalt zu zahlen, was er auch getan habe. Soweit der Sohn nun ab dem 01.04.2003 ein eigenes Einkommen habe, sei der Kläger nach dem BGB aber nicht berechtigt, vorhergehende Unterhaltsleistungen wieder zurückzufordern. Da das Kindergeld die Lasten der Eltern vermindern solle, müsse die Kindergeldberechtigung auch spiegelbildlich zur zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung gesehen werden. Da bei jeder Gesetzesanwendung von der Einheit der Rechtsordnung auszugehen sei, gebiete es der verfassungsrechtliche Grundsatz der „praktischen Konkordanz”, die unterhaltsrechtliche Belastung und die steuerliche Be- bzw. Entlastung auch einheitlich zu beurteilen. Danach dürfe das Jahreseinkommen seines Sohnes für den Zeitraum von April bis Dezember 2003 bei der Berechnung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht auf das erste Quartal des Jahres 2003 erstreckt werden - mit der Folge, dass die Kindergeldberechtigung für diesen Zeitraum bestehen bleibe. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.07.2004 VIII R 20/02, bis zu dessen Rechtskraft das vorliegende Verfahren im Einvernehmen der Beteiligten geruht hatte, trägt der Kläger vor, dass er sich der Argumentation des BFH nicht anzuschließen vermag. Er regt an, die einschlägige Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen. Es entspreche nicht den unterhaltsrechtlichen Vorschriften des BGB, dass ein Kind, das in einem Kalenderjahr Einkünfte und Bezüge in einer bestimmten Höhe erziele, während des ganzen Jahres nicht unterhaltsbedürftig sei. Im Unterhaltsrecht sei es unzulässig, ex post auf die Nichtbedürftigkeit eines Kindes für Zeiträume zu schließen, in denen es keinerlei Einkünfte gehabt habe. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe wiederholt entschieden, dass der Unterhaltsanspruch in jedem Monat neu entstehe, d.h. auf die finanzielle Situation im Vor- oder Folgemonat komme es nicht an, es gehe allein um die jeweils aktuelle Unterhaltsbedürftigkeit. Dementsprechend habe der Kläger auch seiner Unterhaltspflicht in den ersten drei Monaten des Jahres 2003 voll genügt. Das Steuerrecht baue auf der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht der Eltern auf und gewähre ihnen deswegen eine gewisse steuerliche Entlastung. Daher dürften die staatlichen Transfergesetze die zivilrechtlichen Vorgaben nicht konterkarieren. Deswegen fordere das BVerfG von Gesetzgebung und Rechtsprechung bei ...