Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs durch einen Ehegatten auf der Grundlage einer Abtretungsanzeige im Sinne des § 46 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Ist im Zeitpunkt des Eingangs der Abtretungsanzeige beim Finanzamt bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Abtretenden eröffnet, ist die Abtretungsanzeige im Hinblick auf § 80 Abs. 1 InsO und § 46 Abs. 2 AO nichtig.
- Die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung.
- Abtretungsanzeigen, bei denen der amtliche Vordruck unvollständig oder fehlerhaft ausgefüllt worden ist, machen die Abtretung nicht von vornherein unwirksam. Sie sind vielmehr als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung unter Beachtung des Empfängerhorizonts (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –) zugänglich.
- Bei zusammen veranlagten Ehegatten liegt kein einheitlicher Erstattungsanspruch vor, sondern es bestehen gesonderte Erstattungsansprüche für jeden von ihnen, die auch hinsichtlich der Wirksamkeit ihrer Abtretung jeweils gesondert zu beurteilen sind.
- Ist in der von beiden Ehegatten unterschriebenen Abtretungsanzeige handschriftlich vermerkt: „aus Guthaben des Ehemannes” ergibt sich durch Auslegung nach § 133 BGB, dass sich die Willenserklärung auf die Abtretung des Erstattungsanspruches des Ehemannes beschränkt.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2, §§ 46-47, 218 Abs. 2; BGB § 133; InsO § 80
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Abtretungsanzeige.
Die Klägerin wurde im Veranlagungszeitraum 2007 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Am 11.03.2008 ging beim Beklagten eine von den Eheleuten unterschriebene Abtretungsanzeige vom 25.02.2008 ein. Dort werden in Abschnitt I. unter der Überschrift „Abtretende(r)” die Klägerin und ihr Ehemann aufgeführt. Abtretungsempfänger ist ausweislich Abschnitt II. die Steuerberatungssozietät der Beigeladenen zu 1. und 2. Unter Abschnitt III. wird als Erstattungsanspruch die Einkommensteuer-Veranlagung für das Kalenderjahr 2007 aufgeführt. Unter Abschnitt III. Ziffer 2. wird zum Umfang der Abtretung eine Teilabtretung i.H.v. 1.100 EUR angegeben. Unter Abschnitt III. Ziffer 3. wird als Grund der Abtretung eine Sicherungsabtretung genannt. Neben dem vom amtlichen Vordruck betreffend die Abtretungsanzeige vorgegebenen Begriff „Sicherungsabtretung” ist der handschriftliche Zusatz „aus Guthaben A” aufgebracht. Hierbei handelt es sich um den Ehemann. Unter Abschnitt VI. Ziffer 1. (Unterschriften/Abtretende(r)) befinden sich das Datum des 25.02.2008 und die Unterschriften der Eheleute. Abschnitt VI. Ziffer 1. enthält auf dem amtlichen Vordruck den in Klammern gesetzten, gedruckten Zusatz: „Werden bei der Einkommensteuer-Zusammenveranlagung die Ansprüche beider Ehegatten abgetreten, ist unbedingt erforderlich, dass beide Ehegatten persönlich unterschreiben”.
Die Abtretungsanzeige wurde am 11.03.2008 von der Steuerberatungssozietät beim Beklagten eingereicht. Zuvor, d.h. am 06.03.2008 war das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemannes durch das Amtsgericht wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden.
Am 29.04.2008 erließ der Beklagte für 2007 einen an die Eheleute adressierten Einkommensteuerbescheid. Danach haben diese im Jahr 2007 jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 10.850 EUR (Ehemann) und 23.160 EUR (Klägerin) erzielt. Die Einkommensteuer wurde auf Null EUR festgesetzt. Das Restguthaben der Eheleute betrug insgesamt 3.803 EUR. Mit Schreiben vom 30.04.2008 teilte der Beklagte den Eheleuten mit, dass ein Teilbetrag des Guthabens aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2007 i.H.v. 1.100 EUR aufgrund der Abtretungsanzeige vom 25.02.2008 an die vorgenannte Steuerberatungssozietät überwiesen worden sei. Ein weiterer Teilbetrag i.H.v. 954 EUR betreffend den Anteil des Ehemannes sei an den Insolvenzverwalter überwiesen worden. Das Restguthaben i.H.v. 1.749 EUR werde erstattet.
Mit Schreiben vom 07.05.2008 wandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hiergegen ein, dass der an die Steuerberatungssozietät zu zahlende Betrag nach dem handschriftlichen Vermerk in Abschnitt III. der Abtretungserklärung nur aus dem Guthaben des Ehemannes gezahlt werden solle. Die Auszahlung des der Klägerin zustehenden Erstattungsanteils i.H.v. 1.100 EUR an die vorbezeichnete Steuerberatungssozietät sei angesichts der Beschränkung des Umfangs der Abtretung in Abschnitt III. der Abtretungsurkunde unzulässig, mit der Folge, dass der Betrag von 1.100 EUR vom Beklagten an die Klägerin zu überweisen sei.
Dem kam der Beklagte mit dem Hinweis, dass ein Vermerk zum Abtretungsgrund keine Änderung des Zedenten gemäß Abschnitt I. der Abtretungsanzeige bewirke, nicht nach. Auch mit ihren Unterschriften hätten die Eheleute dokumentiert, dass der Erstattungsanspruch beider Ehegatten abgetreten werde. Solle nur der Anspruch eines Ehegatten abgetreten werden, so sei nur diese...