Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Nachversteuerung der Einkünfte aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei Wechsel in eine feste Anstellung?
Leitsatz (redaktionell)
Die Bestimmung des § 3 Nr. 39 EStG kann nicht einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass positive Einkünfte dann nicht für die Steuerbefreiung als schädlich angesehen werden, wenn sie zeitlich der Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nachfolgen.
Normenkette
EStG 1997 § 3 Nr. 39
Tatbestand
Im Streitjahr 2000 wurden die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und erzielten beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger arbeitete als Gerüstbauer und die Klägerin bis zum 30. Juni 2000 bei einer Apotheke im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses, wobei sie Einkünfte von 6 x 310 DM = 1.860 DM erhielt sowie daneben Arbeitslosenhilfe von 3.114,02 DM. Ab 1. Juli 2000 wurde die Klägerin in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen und erzielte bis Jahresende weitere Einkünfte von 9.912,50 DM. Um die Steuerfreiheit für das geringfügige Beschäftigungsverhältnis zu erhalten, hatte sie dem Arbeitgeber eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes vorgelegt, in dem es am Ende des Vordrucks heißt: "Stellt sich nach Ablauf des Kalenderjahres heraus, dass die Summe ihrer anderen Einkünfte positiv sind, sind Sie nach § 46 EStG verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben."
Mit Einkommensteuerbescheid vom 22. Januar 2002 setzte das Finanzamt Einkommensteuern fest, indem es zusätzlich zu den Einkünften der Klägerin aus dem festen Arbeitsverhältnis die bislang nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfenen 1.860 DM erfasste, so dass sich unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes eine um 308 DM höhere Einkommensteuer sowie ein höherer Solidaritätszuschlag ergab im Vergleich zur Besteuerung ohne diese Einkünfte.
Gegen den Einkommensteuerbescheid haben die Kläger Einspruch und nach dessen Zurückweisung Klage erhoben, mit der sie geltend machen, nach § 3 Nr. 39 Einkommensteuergesetz (EStG) dürften nur solche positive Einkünfte zur Aberkennung der Steuerfreiheit führen, die nicht aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stammten. Denn Zweck der Vorschriften über das geringfügige Beschäftigungsverhältnis sei es nach der Bundestagsdrucksache 14/280 gewesen, verheirateten Frauen und Alleinstehenden den Zugang zu einer festen Anstellung zu erleichtern. Dieser Absicht widerspreche es, wenn nach dem Wechsel von einer geringfügigen zu einer festen Anstellung die geringfügigen Einkünfte nachversteuert würden. Zudem sei die gesetzliche Regelung weder verständlich noch nachvollziehbar. Im Antragsformular sei keine ausreichende Belehrung über die Folgen bei einem Wechsel erteilt. Es werde das Ruhen beantragt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. März 2002 den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 22. Januar 2002 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus geringfügiger Tätigkeit in Höhe von 1.860 DM steuerfrei belassen werden.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich unter Verzicht auf mündliche Verhandlung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin durch ihre Einkünfte aus der festen Anstellung in der zweiten Jahreshälfte positive Einkünfte erzielt hat und dies nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 39 EStG zur Versagung der Steuerfreiheit führt. Denn nach dieser Vorschrift sind Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches, für das der Arbeitgeber Beiträge zu entrichten hat, steuerfrei, "wenn die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv sind". Die Klägerin hat aber neben den Einkünften aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis positive Einkünfte von 9.912,50 DM erzielt.
2. Der Klage könnte somit lediglich dann Erfolg beschieden sein, wenn trotz des eindeutigen Wortlauts das Tatbestandsmerkmal "positive Einkünfte" in § 3 Nr. 39 EStG einschränkend dahingehend auszulegen wäre, dass positive Einkünfte dann nicht für die Steuerbefreiung als schädlich angesehen werden, wenn sie zeitlich der Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nachfolgen, die positiven Einkünfte somit aus einem Wechsel von einer geringfügigen zu einer Vollbeschäftigung stammen. Für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers enthält die Gesetzgebungsgeschichte jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Nach dem bis zum 30. März 1999 geltenden früheren Recht (§ 40a EStG a. F.) konnten bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen die Einkommensteuern pauschal mit 20 % abgeführt werden (§ 40a Abs. 2 EStG a. F.). Gleichzeitige, frühere oder spätere Einkünfte führten wegen der pauschalen Abgeltung der Steuer nicht zu steuerlichen Nachforderungen, also auch nicht bei einem Wechsel innerhalb des Veranlagungszeitraums von einer gering...