Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung für psychotherapeutische Leistungen von Diplompsychologen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die psychotherapeutische Behandlung von Patienten durch Diplompsychologen wird nicht von der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG erfasst.
2. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist keine über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung dahingehend geboten, dass die dort genannten Leistungen auch dann umsatzsteuerfrei sind, wenn sie nicht von Ärzten sondern von anderen Angehörigen eines Heilberufs mit voller wissenschaftlicher Ausbildung erbracht werden.
3. Aus dem Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 b der 6. EG-Richtlinie ergibt lässt sich nicht, dass Umsätze auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Heilbehandlung umsatzsteuerfrei belassen werden müssen.
4. Der bundesdeutsche Gesetzgeber ist bei der Umsetzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 b der 6. EG-Richtlinie in innerstaatliches Recht durch § 4 Nr. 16 UStG innerhalb der von der Richtlinie gezogenen Ermessensgrenzen geblieben.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 16c; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1b; SGB V § 28 Abs. 3, § 28a Abs. 2
Streitjahr(e)
1990
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob § 4 Nr. 16c Umsatzsteuergesetz (UStG) einer Verfassungs- bzw. EG-richtlinienkonformen Auslegung dahingehend bedarf, daß psychotherapeutische Leistungen, die in den dieser Vorschrift ansonsten entsprechenden Einrichtungen von Diplompsychologen, die gleichzeitig Heilpraktiker, aber keine Ärzte sind, erbracht werden, als steuerfrei im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Stiftung, die die Psychologie in Praxis und Forschung bezweckt. Sie will dazu beitragen, die Behandlungsmethodik durch geeignete Grundlagen und Anwendungsforschung zu verbessern und wichtige Ergebnisse der klinisch-psychologischen Forschung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ferner will sie Einrichtungen zur praktischen Anwendung heilbehandelnder Psychologie schaffen und bereithalten. Diesen Satzungsauftrag verwirklichte die Klägerin durch die Einrichtung einer Ambulanz im Jahre 1989, in der seitdem Patienten therapeutisch behandelt werden. Dabei werden Behandlungsmethoden gewählt, die sich aus der Forschung der Klägerin ergeben, und es werden gleichzeitig im Zuge der Behandlung empirische Daten gewonnen, die der klinisch-psychologischen Forschung die Grundlage für die Fortentwicklung der Behandlungsmethoden liefern. Die Behandlung in der Ambulanz wurde im Streitjahr durch Diplompsychologen durchgeführt, die gleichzeitig Heilpraktiker, nicht aber Ärzte waren. Es wurden mehr als 40% der Leistungen an Angehörige der gesetzlichen Sozialversicherung, an Empfänger von Sozialhilfe und an Versorgungsberechtigte erbracht und von den Sozialträgern ganz oder teilweise übernommen. Die Umsätze der Klägerin aus Honoraren für die erbrachten psychotherapeutischen Leistungen beliefen sich 1990 auf 310.304,-- DM. In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1990 behandelte sie diese Umsätze als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 16c UStG und machte demgemäß wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auch keine Vorsteuerabzugsbeträge geltend.
Das beklagte Finanzamt (FA) folgte der Rechtsauffassung der Klägerin nicht und unterwarf durch Bescheid vom 30.4.1993 die eingenommenen Honorare aus Therapiebehandlungen der Umsatzsteuer, wobei es den ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7% gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG anwendete. Nach Abzug von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 11.911,38 DM setzte das Finanzamt durch Umsatzsteuerbescheid 1990 vom 30.4.1993 Umsatzsteuer in Höhe von 8.388,-- DM und Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von 581,-- DM fest. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. In ihrer Klage vertritt die Klägerin - wie schon im Einspruchsverfahren - die Rechtsauffassung, § 4 Nr. 16c Buchst. c UStG sei dahingehend extensiv auszulegen, daß auch die Heilbehandlung durch und unter Aufsicht von Psychologen von der Vorschrift erfaßt werden solle mit der Konsequenz, daß die vereinnahmten Honorare aus therapeutischen Behandlungen als Bemessungsgrundlage umsatzsteuerfreier Leistungen einzustufen seien.
1. Die Klägerin ist der Auffassung, eine solche Auslegung sei durch Artikel 13 Teil A Abs. 1 b der 6. EG-Richtlinie (EG-Rl) vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (7/388/EWG, ABI. der EG 1977 Nr. L 145 S.1 f£), der durch § 4 Nr. 16c UStG in deutsches Recht umgesetzt sei, geboten. Die Klägerin meint, daß nach dem Wortlaut dieser EG-Rl auch solche Behandlungen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen als umsatzsteuerbefreit angesehen werden müßten, die nicht von Ärzten oder unter ärztlicher Aufsicht, sondern von Psychologen auf dem Gebiet der Psychotherapie erbracht würden. Insoweit enthalte § 4 Nr. 16c UStG durch Einfügung des Tatbestandsmerkmals „Leistungen unter ärztlicher Aufsicht” eine unzulässige Einschränkung der angeführten Vorschrift der 6. EG-Rl,...