rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung bei unvollständigen Aufzeichnungen und fehlenden Programmunterlagen einer elektronischen Kasse
Leitsatz (redaktionell)
- Die Aufzeichnungspflicht für die Kasseneinnahmen bei Nutzung einer EDV Registrierkasse erfordert nicht nur die Vorlage der Tagesendsummenbons (Z-Bons) sondern auch aller Dokumentationsunterlagen über die Kasseneinstellungen, die Bedienerprogrammierung, die Titel- und Warengruppeneinstellungen und vor allem der Bedienerberichte aus der Abrechnung mit dem kassierberechtigten Personal, um etwaige Manipulationen bei der Berechnung der ausgedruckten Beträge nachvollziehen zu können.
- Kommt der Steuerpflichtige der Vorlage der, der Einnahme-Überschuss-Rechnungen zu Grunde liegenden elektronischen Aufzeichnungen nicht nach, ist das Finanzamt zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt.
- Werden die sog. Organisationsunterlagen der Kasse nicht vorgelegt, erbringen die täglichen Endsummenbons keinen hinreichenden Beweis für die Vollständigkeit der aufgezeichneten Einnahmen.
- Eine Abweichung von den in der Richtsatzsammlung angegebenen Rohgewinnen ist insbesondere dann zulässig, wenn in einzelnen Quartalen tatsächlich höhere Rohgewinne erzielt wurden.
Normenkette
AO §§ 162, 158
Streitjahr(e)
2008, 2009, 2010
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Hinzuschätzung von Einnahmen aus dem von der Klägerin betriebenen Asia-Restaurant.
Die mit A verheiratete Klägerin betrieb u.a. in den Jahren 2008 bis 2010 (Streitjahre) in Bensheim das Asia Restaurant R 1. Hieraus erklärte sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnungen ermittelte Einkünfte bzw. Gewinne aus Gewerbebetrieb i.H.v. 15.396 Euro (2008), 35.805 Euro (2009) bzw. 7.613 Euro (2010). Im Einzelnen wird zum Inhalt der Steuererklärungen und der Einnahmenüberschussrechnungen für die Streitjahre auf die Akten verwiesen.
Nachdem das Hauptzollamt 1 in einem Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin und ihren Ehemann u.a. wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und der Hinterziehung von Lohnsteuer im Schlussbericht zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Klägerin in ihrem Restaurant im Zeitraum 01.02.2009 bis 30.06.2009 Herrn (D.) „schwarz”, d.h. ohne sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Anmeldungen als Koch beschäftigt hatte schwankende Rohgewinn- und Lohnanteilssätze festgestellt worden waren, ordnete der Beklagte am 19.08.2011 eine steuerliche Außenprüfung für 2008 bis 2010 an. Die Klägerin legte im Rahmen der sodann durchgeführten Außenprüfung Gewinnaufzeichnungen für 2007 bis 2009 sowie Belege für 2009 (darunter Tagesendsummenbons, die wöchentlich als Bareinnahmen erfasst worden waren) vor. Der Aufforderung, auch „Buchhaltungsdaten” für 2010 vorzulegen sowie das verwendete Kassensystem zu bezeichnen und hierfür die Bedienungsanleitung und die Programmierungsprotokolle vorzulegen, kam die Klägerin nicht nach. Die Betriebsprüfer gelangten sodann zu der Ansicht, dass ohne die Programmierungsprotokolle die so genannten Z-Bons nicht aussagekräftig seien. Im Rahmen des angestellten Zeitreihenvergleichs mit quartalsmäßig ermittelten Rohgewinn- Aufschlagssätzen habe sich ergeben, dass im 1. Quartal 2008 ein Rohgewinnaufschlagssatz i.H.v. 370,52 % erreicht worden sei. Aus diesem Satz errechnete die Betriebsprüfung für 2008 und 2009 einen Gesamtumsatz i.H.v. insgesamt 492.983,19 Euro. Den sich hieraus ergebenden Mehrerlös i.H.v. 79.820,80 Euro (= kalkulierter Erlöse i.H.v. 492.893,19 Euro abzgl. die für 2008 und 2009 erklärten Erlöse) verteilte die Betriebsprüfung wie folgt auf die drei Streitjahre:
in Euro |
2008 |
2009 |
2010 |
zu 19 % umsatzsteuerpflichtige Mehreinnahmen |
19.782,02 |
22.218,32 |
23.537,95 |
zu 7 % umsatzsteuerpflichtige Mehreinnahmen |
5.121,94 |
4.546,88 |
4.613,69 |
Summe Mehreinnahmen |
29.021,08 |
31.304,96 |
32.946,81 |
Der Beklagte folgte der Ansicht der Betriebsprüfung und erließ für die Streitjahre am 13.03.2012 unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide und unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO vom Inhalt der Umsatzsteuerjahreserklärungen abweichende Umsatzsteuerbescheide. Im Einzelnen wird zum Inhalt der Bescheide vom 13.03.2012 auf die Akten verwiesen. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der
Vollziehung. Dies begründete sie insbesondere damit, dass die Rohgewinnaufschläge nicht sachgerecht ermittelt worden seien, weil sich wegen der Ist- Versteuerung die liquiditätsmäßigen Zahlenreihen nicht unbedingt mit den wirtschaftlichen Zeitreihen deckten. Es sei möglich, dass Wareneinkäufe erst im Zeitpunkt der Zahlung erfasst worden seien. Zudem würden Kreditkartenumsätze erst bei Verbuchung auf dem Konto erfasst. Würden beispielsweise Weihnachtsfeiern auf Rechnung erst im Januar bezahlt, führe auch dies zu einer Verzerrung der Zeitreihen. Ferner bewegten sich die aus den Einnahmen-Überschuss-Rechnungen ergebenden Rohgewinnaufschläge i.H.v...