rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Vorläufigkeitsvermerks im Hinblick auf das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs
Leitsatz (redaktionell)
- Eine vorläufig ergehende Einkommensteuerfestsetzung wegen nicht abschließender Beurteilung der Überschusserzielungsabsicht im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung kann später auch wegen der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs geändert werden.
- Die Jahresfrist des §§ 171 Abs. 8 S. 1 AO beginnt in einem solchen Fall in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem das Finanzamt positive Kenntnis von den für die Beurteilung des Gestaltungsmissbrauchs maßgeblichen Hilfstatsachen hat.
Normenkette
AO §§ 42, 165, 171 Abs. 8
Streitjahr(e)
2000, 2001, 2002, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger ist wohnhaft in der A-Straße 8 in B. Eigentümer dieses Grundstücks ist nicht der Kläger, sondern seine Mutter C. Diese errichtete in den Jahren 2000 und 2001 auf dem Grundstück das vom Kläger bewohnte Einfamilienhaus (Herstellungskosten: 266.297 EUR). Das Mietverhältnis zwischen dem Kläger, seiner damaligen Ehefrau D und der Mutter des Klägers wurde am 01.09.2001 begründet (vgl. Mietvertrag vom 06.01.2001 auf Bl. 165 ff. der Gerichtsakte).
Der Kläger wiederum ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße 6 (vgl. zu den örtlichen Verhältnissen Satellitenbild auf Bl. 381 der Einkommensteuerakte). Der Kläger errichtete auf diesem Grundstück, das er von seiner Mutter übertragen bekommen hatte, ebenfalls in den Jahren 2000 und 2001 ein Einfamilienhaus (Herstellungskosten: 273.894 EUR), das er ab dem 01.09.2001 an seinen Bruder E und dessen Ehefrau vermietete (vgl. Mietvertrag vom 15.05.2001 auf Bl. 356 ff. der Einkommensteuerakte; Nachtrag zum Mietvertrag vom 16.07.2005 auf Bl. 323 der Einkommensteuerakte).
Der Kläger und sein Bruder sind Gesellschafter-Geschäftsführer der FGmbH. Direkt angrenzend an das Grundstück A-Straße 6 befindet sich ein Betriebsgelände dieses Unternehmens.
Im Hinblick auf die Vermietung der Immobilie A-Straße 6 erklärte der Kläger seit dem Jahr 2000 Verluste aus Vermietung und Verpachtung, die sich bis zum Jahr 2015 auf 289.645 EUR summierten. Der Kläger wurde in den Jahren
2000-2006 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau D, in den Jahren 2007-2011 einzeln und in den Jahren 2012-2015 mit seiner damaligen neuen Ehefrau G wiederum gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte erkannte die geltend gemachten Verluste für die Jahre 2000-2013 zunächst an. Die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen erfolgten jedoch für die Jahre 2000-2002, 2004-2008 und 2012 vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil zum jeweiligen Zeitpunkt die Überschusserzielungsabsicht nicht habe abschließend beurteilt werden können. In die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2003, 2009-2011 und 2013 nahm der Beklagte keinen entsprechenden Vermerk auf.
Nach Einreichung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 teilte der Beklagte dem Kläger im Jahr 2016 mit, dass aufgrund der seit dem Jahr 2000 geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu prüfen sei, ob die bereits erzielten Verluste sowie Verluste in künftigen Jahren steuerlich anerkannt werden könnten, wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr zu berücksichtigen seien oder wegen einer teilweise unentgeltlichen Überlassung nicht in voller Höhe berücksichtigungsfähig seien. Diesbezüglich bat er um die Vorlage diverser Nachweise, insbesondere der einschlägigen Mietverträge (vgl. Bl. 316 f. der Einkommensteuerakte). Der Kläger teilte dem Beklagten daraufhin mit, dass der Mietvertrag dem Beklagten schon mit Schreiben vom 23.06.2003 vorgelegt worden sei (dieses Schreiben befindet sich in Kopie auf Bl. 178 der Gerichtsakte; der Beklagte teilte daraufhin mit, dass dies korrekt sei, jedoch um erneute Übersendung gebeten werde, da der Vertrag beim Beklagten nicht mehr vorliege, vgl. Bl. 354 der Einkommensteuerakten). Das Mietverhältnis werde fremdüblich seit September 2001 durchgeführt. Der Mietzins von 3,42 EUR pro Quadratmeter liege bei ca. 85 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Mithin liege eine Vollentgeltlichkeit vor, eine Kürzung der Werbungskosten scheide aus und eine Totalgewinnprognose erübrige sich (vgl. Bl. 322 der Einkommensteuerakte).
Der Beklagte eröffnete dem Kläger sodann, dass die Verluste aus der Vermietung und Verpachtung nicht anzuerkennen seien. Es liege keine Einkünfteerzielungsabsicht vor. Das bestehende Vertragsverhältnis werde nach § 42 Abgabenordnung --AO-- nicht anerkannt. Die beiden Objekte in der A-Straße 6 und 8 seien etwa gleich groß und beide Vermietungen erfolgten nicht zur ortsüblichen Miete. Ein verständiger Eigentümer hätte nicht sein Grundstück vermietet und zugleich ein direkt angrenzendes Grundstück zur Miete bewohnt. Lage und Größe der Objekte stellten hier keine objektive Zielsetzung der Vermietung dar, da diese direkt nebeneinanderlägen und in der...