Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld bei vorübergehender Arbeitsleistung im Inland
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine vorübergehende Dienstleistung im Inland liegt nur vor, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet zeitlich im vorhinein begrenzt ist und sich absehen lässt, dass der Ausländer sich nach einer gewissen Zeit wieder in das Ausland begeben wird.
2. Eine vorübergehende Entsendung liegt entsprechend EWG-VO 1408/71 Art. 14 Nr. 1a bei EU-Ausländern nicht mehr vor, wenn sie voraussichtlich länger als 12 Monate im Bundesgebiet bleiben und eine Verlängerung bis zu weiteren 12 Monaten nicht in Betracht kommt.
3. Eine Vereinbarung nach EWG-VO 1408/71 Art. 17, wonach ein Ausländer während der weiteren Dauer seiner Beschäftigung in Deutschland von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit befreit ist - die ausdrücklich als Ausnahme zu der Vorschrift des EWG-VO 1408/71 Art. 13 genannt ist - lässt eine Sonderregelung dahingehend zu, dass auch eine längerfristige Tätigkeit wie die anlässlich einer vorübergehenden Entsendung behandelt wird.
Normenkette
EWGV 1408/71 Art. 14 Nr. 1a, Art. 17; EStG § 62 Abs. 1-2
Streitjahr(e)
1996
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist griechischer Nationalität und Angestellter der M Bank. Seit dem 2.1.1984 ist er in deren Vertretungsbüro in Frankfurt beschäftigt. Seine beiden 1987 und 1989 in Deutschland geborenen Kinder leben in seinem Haushalt. Im Juni 1996 stellte er einen Kindergeldantrag. Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld mit Bescheid vom 11.7.1996 unter Hinweis auf § 62 Abs. 2 EStG ab. Der Kläger sei von seinem in Griechenland ansässigen Arbeitgeber nur zur vorübergehenden Arbeitsleistung nach Deutschland entsandt worden.
Nach einem telefonischen Anruf des Klägers am 11.10.1996, der von der Familienkasse als Antrag auf Überprüfung des Kindergeldanspruches gewertet wurde, prüfte die Familienkasse erneut die tatbestandlichen Voraussetzungen. Sie erhielt vom Arbeitgeber des Klägers u.a. die Auskunft, die Dauer seiner Beschäftigung in Deutschland sei unbefristet. Er unterliege der deutschen Steuerpflicht, sei aber aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem griechischen Ministerium für Gesundheit und Fürsorge und der deutschen Verbindungsstelle für Krankenversicherungen nach Artikel 17 der EWG-Verordnung 1408/71 über soziale Sicherheit von der Sozialversicherungspflicht befreit.
Dieser Sachverhalt führte zu keiner Änderung der Rechtsauffassung der Familienkasse. Sie lehnte daher den als Antrag auf Neubescheidung gewerteten Antrag mit Bescheid vom 26.11.1996 ab. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Die an den Rechtsanwalt Athanassiadis adressierte Einspruchsentscheidung vom 16.5.1997, die nach § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt werden sollte, wurde am 20.5.1997 zur Post gegeben. Ein Empfangsbekenntnis ist nicht zu den Akten der Familienkasse gelangt.
Am 16.9.1997 führte der jetzige Prozeßbevollmächtigten mit dem Sachbearbeiter der Familienkasse ein Telefonat, dessen Inhalt u. a. die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung war.
Mit der am 16.10.1997 bei der beklagten Familienkasse eingegangenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, etwaige Fristen seien nicht in Gang gesetzt worden, weil keine wirksame Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt sei. Im weiteren Verfahren trug er insoweit vor, der im Vorverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt habe die Einspruchsentscheidung nach dessen Angaben nicht erhalten. Deshalb finde sich in den Akten der Beklagten auch kein unterschriebenes Empfangsbekenntnis. Wegen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung sei mit dem Sachbearbeiter der Beklagten zudem Einvernehmen darüber erzielt worden, daß diese die Einrede der Verspätung nicht erheben werde.
Seinem Kindergeldanspruch stehe § 62 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht entgegen. Er sei nicht nur, wie die von ihm vorgelegte Bestätigung der Bank ergebe, seit 2.1.1984 dort beschäftigt, sondern bereits seit 1970 in Deutschland tätig gewesen. Bei dieser Sachlage könne eine vorübergehende Entsendung nicht angenommen werden.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 26.11.1996 und 16.5.1997 aufzuheben und ab 1.12.1996 Kindergeld von monatlich 440,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe Kindergeld nicht zu. Die Vorschriften der Entsendung seien für alle Zweige der sozialen Sicherheit einheitlich anzuwenden. Deshalb sei kein Kindergeld zu gewähren, wenn für den Arbeitnehmer keine Beiträge zur deutschen Sozialversicherung entrichtet würden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe richte sich nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Arbeitgeber des Klägers seinen Sitz habe.
Das Gericht hat über die Behauptung des Klägers, die Einspruchsentscheidung sei seinem bisherigen Verfahrensbevollmächtigten nicht zugegangen, Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 16.2.1999. Wegen des Inhalts des Bewei...