Leitsatz
Eine Garantenstellung des Käufers einer Ware für die richtige Zollwertanmeldung ergibt sich aus der EWGVO Nr. 1496/80 nicht, wenn die Anmeldung statt vom Käufer von einem Dritten falsch abgegeben worden ist, ohne dass der Käufer dazu konkret Veranlassung gegeben hat.
Normenkette
§§ 71, 370 Abs. 1 AO , EWGVO Nr. 1496/80 Art. 1 Abs. 2 (Zollwert-AnmeldungsVO)
Sachverhalt
Der Kläger betreibt Reitsport. Seine beiden mehrere Hunderttausend DM teuren Reitpferde kaufte ihm eine Gönnerin, die X, in der Schweiz. Die Pferde wurden an ein Reitsportzentrum (GmbH) geliefert, welches bei der Einfuhr mittels einer Schweizer Spedition (Zollanmelderin) im Zollbeleg als Empfänger benannt wurde. Die dabei vorgelegten Rechnungen wiesen einen wesentlich geringeren Kaufpreis aus, als er tatsächlich von X gezahlt worden war. Als der Zoll nach Abfertigung der Pferde auf der Grundlage dieser falschen Rechnungen feststellte, dass rund 400 000 DM Eingangsabgaben zu wenig erhoben worden waren, nahm er u.a. den Kläger auf Haftung für die betreffenden Eingangsabgaben in Anspruch.
Entscheidung
Der BFH hat den Haftungsbescheid des HZA aufgehoben. Bei der Einfuhr der Pferde sei zwar der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht worden, weil der Zollbehörde durch Vorlage der unterfakturierten Rechnungen falsche Angaben über den (für die Abgabenfestsetzung maßgeblichen) Zollwert der Einfuhrwaren (den tatsächlich gezahlten Preis) gemacht und deshalb die Eingangsabgaben zunächst in zu geringer Höhe festgesetzt worden seien. Der Kläger sei jedoch nicht mittelbarer Täter. Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setze ein aktives Handeln voraus. Dieses sei dem Kläger nicht nachgewiesen worden. Steuerhinterziehung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen sei dem Kläger ebenfalls nicht nachzuweisen. Allenfalls könne sich die dafür erforderliche Garantenstellung des Klägers daraus ergeben, dass nach der damals noch geltenden EWGVO Nr. 1496/80 (vgl. heute Art. 64 ZK, Art. 178 ZKDVO) der Käufer bei ausländischem Anmelder zur Anmeldung des Zollwerts verpflichtet gewesen sei. Diese Verpflichtung begründe aber nicht die Pflicht, die Abgabe einer unrichtigen Zollwertanmeldung durch einen Dritten zu verhindern, wenn dieser vom Käufer zur Abgabe der (falschen) Anmeldung nicht "konkret" veranlasst worden sei. Das FG habe jedoch nicht einmal festgestellt, dass der Kläger von der unrichtigen Zollwertanmeldung überhaupt gewusst habe.
Hinweis
Eingangsabgaben schuldet der Zollschuldner. Zollschuldner ist der Anmelder (Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK). Das kann auch derjenige sein, in dessen Namen die Zollanmeldung (z.B. von einer Spedition) abgegeben wird (direkte Stellvertretung). Das jetzt (insoweit noch nicht für den Besprechungsfall) geltende europäische Recht kennt darüber hinaus eine Zollschuldnerschaft des indirekt Vertretenen (dessen, für dessen Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird).
Auch wer nicht Zollschuldner wird, kann für die Eingangsabgaben unter Umständen gleichwohl einstehen müssen, nämlich als Haftender nach Maßgabe der AO. Die Haftungstatbestände sind im Wesentlichen in den §§ 69 ff. AO geregelt, die Haftungsinanspruchnahme in § 191 AO.
Ein Haftungstatbestand ist der des § 71 AO (Fall der Abgabenhinterziehung). Es haftet danach sowohl der Täter (auch der Mittäter und der mittelbare Täter) als auch der Teilnehmer (insbesondere der Tatgehilfe). Mittelbare Täterschaft liegt vor, wenn ein anderer mit Tatherrschaft und Täterwille zur Verwirklichung des Tatbestands, d.h. zur Vornahme der Tathandlungen, veranlasst wird.
Steuerhinterziehung kann jeder begehen, auch derjenige, der – wie der Täter, der nicht Zollschuldner ist – nicht zur Abgabe der Steuererklärung (Zollanmeldung) verpflichtet ist. Mithin kann auch jeder mittelbarer Täter einer Steuerhinterziehung sein, der das Tatgeschehen (mit Täterwillen) "steuert". Das bloße Wollen der Tat reicht dabei aber nicht aus; der (mittelbare) Täter muss vielmehr eine Herrschaft über das Tun des unmittelbaren Täters ausüben, insbesondere weil dieser infolge eines in ihm vom mittelbaren Täter erregten und unterhaltenen Irrtums die Bedeutung seines Tuns nicht erkennen kann (Irrtumsherrschaft).
Beihilfe lässt sich meist einfacher feststellen (und dementsprechend leichter ein Haftungsanspruch gerichtsfest machen). Sie setzt aber einen aktiven Beitrag voraus, der die Tat des Täters tatsächlich fördert.
Beihilfe kann (wie die Tat selbst) im Allgemeinen auch durch Unterlassen begangen werden. Auch eine Tat nach § 371 Abs. 1 Nr. 1 AO mag durch Unterlassen begangen werden können (der BFH lässt es offen; beachten Sie insofern in jedem Fall die Nr. 2 der Vorschrift). Strafbarkeit wegen Unterlassens (und folglich Haftung auf Grund Unterlassens) setzen aber immer eine Pflicht voraus, den missbilligten Erfolg zu verhindern (sog. Garantenstellung). Eine allgemeine Pflicht, Steuerhinterziehungen irgendeines Dritten zu verhindern, gibt es selbstredend nicht. Es gibt eine solche Pflicht auch nicht für d...