Leitsatz

1. Ein in Deutschland lebender und Unterhalt zahlender Vater kann bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer (1998 bis 2000) den verdoppelten Kinder- und den verdoppelten Betreuungsfreibetrag abziehen, wenn die in Norwegen lebende Mutter dort für das gemeinsame Kind Kindergeld erhält und die sog. Günstigerprüfung ergibt, dass das Kindergeld die gebotene steuerliche Freistellung des Kindesexistenzminimums nicht in vollem Umfang bewirkt.

2. In diesem Fall ist das norwegische Kindergeld bei der Einkommensteuerveranlagung des Vaters der Einkommensteuer hinzuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob das in Norwegen gezahlte Kindergeld die Höhe der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht des Vaters gemindert hat.

 

Normenkette

§ 31 Sätze 4 bis 6, § 32 Abs. 6 Satz 4 Nr. 1, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG 2000, § 1612b BGB

 

Sachverhalt

Der gut verdienende Kläger hat einen minderjährigen Sohn, der bei der Mutter in Norwegen lebt und für den er Unterhalt nach norwegischem Recht leistete. Die Mutter bezog norwegisches Kindergeld. Bei der Bemessung des Unterhalts blieb das Kindergeld unberücksichtigt.

Das FA zog im Hinblick auf die fehlende unbeschränkte Einkommensteuerpflicht der Mutter einen Freibetrag mit den verdoppelten Beträgen des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG ab und erhöhte die tarifliche Einkommensteuer wegen des in Norwegen bezogenen Kindergeldes um die deutschen Kindergeldsätze.

Das FG München (Urteil vom 14.2.2008, 15 K 779/05, Haufe-Index 1996864, EFG 2008, 1381) gewährte zwar nicht den verdoppelten Freibetrag, ohne zugleich die Einkommensteuer um das Kindergeld zu erhöhen, sah aber die Voraussetzungen für den Ansatz des einfachen Freibetrags als erfüllt an und lehnte eine Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um das Kindergeld ab.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das Einkommen des Klägers ist um die verdoppelten Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu vermindern und sodann um das norwegische Kindergeld zu erhöhen, wobei die deutschen Kindergeldsätze die Hinzurechnung limitieren. Die Höhe des norwegischen Kindergeldes hat das FG im zweiten Rechtsgang zu klären.

 

Hinweis

1. Die sog. Günstigerprüfung entscheidet darüber, ob das Existenzminimum eines Kindes durch Kindergeld bzw. vergleichbare Leistungen oder die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG (Kinderfreibetrag und Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) freigestellt wird. Wird nach ausländischem Recht ein höheres Kindergeld als nach § 66 EStG gezahlt, so beschränkt sich die Verrechnung auf die Höhe des inländischen Kindergeldes. Ob dieses dem Steuerpflichtigen oder dem anderen Elternteil gewährt wird, ist unerheblich.

2. Die Beträge des § 32 Abs. 6 EStG werden verdoppelt, wenn das Kind zu zwei zusammen veranlagten Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht oder wenn der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Ein Wahlrecht auf Ansatz der einfachen statt der verdoppelten Beträge besteht nicht.

3.Wird das Einkommen infolge der Günstigerprüfung um einen Freibetrag vermindert, so ist das Kindergeld im entsprechenden Umfang der Einkommensteuer hinzuzurechnen. Bei Gewährung der einfachen Freibeträge erhöht sich die Einkommensteuer mithin um das halbe, bei Ansatz der verdoppelten Freibeträge um das volle Kindergeld. Ausländische Familienleistungen sind höchstens mit den deutschen Kindergeldsätzen hinzuzurechnen.

4. Wenn der andere Elternteil das Kindergeld erhält und das Kindergeld auch die Barunterhaltsverpflichtung des Steuerpflichtigen nicht mindert (§ 1612b BGB), führt dies zu einem Konflikt: Soll der Steuerpflichtige angemessen entlastet werden, dann verbietet sich ein Ansatz des Kindergeldes bei der Günstigerprüfung und die Hinzurechnung des Kindergeldes zur Einkommensteuer nach Abzug des Freibetrages. Dadurch käme es aber zu einer Doppelförderung von Kindern, wenn der im Ausland lebende Elternteil Kindergeld bezieht und der im Inland lebende Elternteil ohne Kindergeldhinzurechnung die verdoppelten Freibeträge abziehen könnte. Der BFH hat sich gegen eine Bevorzugung von Eltern entschieden, die in unterschiedlichen Ländern leben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28. 6.2012 – III R 86/09

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