Leitsatz
Gibt eine Konzern-Obergesellschaft zugunsten eines anderen konzernangehörigen Unternehmens eine Garantieerklärung ab, so kann hierdurch die Rechtsfolge des § 1 AStG nur dann ausgelöst werden, wenn die Erklärung im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen abgegeben wird. Das ist nicht der Fall, wenn die begünstigte Gesellschaft mangels ausreichender Eigenkapitalausstattung ohne die Garantieerklärung ihre konzerninterne Funktion nicht erfüllen kann.
Normenkette
§ 1 AStG
Sachverhalt
Die inländische Konzern-Obergesellschaft gab zugunsten ihrer verschiedenen in- und ausländischen Tochtergesellschaften wiederholt Garantieerklärungen ab, u.a. auch einer in den Niederlanden residierenden BV, die als Finanzierungsgesellschaft für den Gesamtkonzern fungierte. Bürgschaftsprovisionen wurden hierfür keine verlangt, worin das FA eine unter Fremden unüblichen Handhabung sah, die eine entsprechende Hinzurechnung gem. § 1 AStG veranlasse.
Entscheidung
Der BFH hielt dies für unberechtigt und entschied zugunsten der Klägerin. Voraussetzung einer Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG sei u.a., dass es um ein Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und einer ihm nahe stehenden Person gehe, welches als "Geschäftsbeziehung" qualifiziert werden könne. Davon könne nur dann die Rede sein, wenn sich über die Beteiligung als solche hinaus ein selbstständiges Leistungsverhältnis annehmen lasse, woran es jedoch bei Vorgängen im privaten oder im gesellschaftlichen Bereich fehle. Um einen derartigen Vorgang handele es sich bei der Ausstattung der Tochtergesellschaft mit Eigenkapital oder – stattdessen und damit im Streitfall – bei der Gewährung einer Garantieerklärung, durch welche – anders als bei einer Kreditgewährung – die Kreditwürdigkeit der Tochtergesellschaft erst "hergestellt" werde.
Hinweis
Wenn Sie es mit Mandanten zu tun haben, die Geschäftsbeziehungen zu "nahe stehenden" Personen und Gesellschaften im Ausland pflegen, dann gibt dieses Urteil einiges an Gestaltungspotenzial:
1. Denn immer dann, wenn solche Geschäftsbeziehungen einem Fremdvergleich nicht standhalten, droht bei dem inländischen Unternehmen eine Einkünfteberichtigung in Gestalt einer Hinzurechnung gem. § 1 AStG, wodurch letztlich Missbräuchen vorgebeugt werden soll. Allerdings: Es muss sich, wie der BFH nunmehr glasklar herausgestellt hat, auch tatsächlich um eine Geschäftsbeziehung handeln. Daran fehlt es nach den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen jedoch bei Beziehungen, die das "Nahestehen" erst begründen, m. a. W.: die im privaten oder im gesellschaftlichen Bereich angesiedelt sind. Hier scheitert ein Fremdvergleich von vornherein, weil der Vergleich immer nur zu einem Gesellschafter, nicht aber zu einem Dritten gelingen kann.
2. Daraus folgt die Erkenntnis, dass unter § 1 Abs. 1 AStG vor allem schuldrechtliche Verträge fallen. Die Beteiligung selbst und damit in Zusammenhang stehende "Beziehungen" begründen indes grundsätzlich keine Geschäftsbeziehung. Dazu gehört in erster Linie die Ausstattung mit Eigenkapital, daneben aber auch die Konstellation, dass stattdessen unentgeltlich eine Bürgschaft, eine Garantie- oder eine sog. Patronatserklärung gegeben wird. Für den Gesellschafter gilt insoweit der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit. Ggf. kann eine zuvor gesellschaftliche Beziehung auch in eine Geschäftsbeziehung umschlagen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9.8.2000, I R 12/99, BStBl II 2001, 140, BFH-PR 2001, 55).
3. Problematisch wird es bei unangemessen niedrigen, entgeltlichen Leistungen. Ein solches Teil-Entgelt könnte eine Schuldrechtlichkeit indizieren, auch wenn es nur 1 DM beträgt – ein paradoxes Ergebnis. Es spricht deshalb mehr dafür, dass zu dem Entgelt eine Einkünfteerzielungsabsicht hinzutreten muss. Angesichts der dazu bestehenden Ungewissheiten kann § 1 AStG derzeit aber nur durch eine gänzlich unentgeltliche Leistung definitiv "vermieden" werden.
4. Ist im Einzelfall eine Geschäftsbeziehung anzunehmen, so stellt sich die Frage nach dem "richtigen"Fremdvergleichsmaßstab im Konzernverbund, wenn die Konzernmutter gegenüber der Konzerntochter auf einen angemessenen Gewinnaufschlag verzichtet. Dazu hat der BFH im Urteil vom 29.10.1997, I R 24/97 (BStBl II 1998, 573) formuliert: "Der Fremdvergleich verlangt nur das "Wegdenken" der Nahestehendenbeziehung. Das Fortbestehen aller übrigen Beziehungen wird unterstellt". Sog. passive Konzerneffekte sind also durchaus bei Vornahme des Fremdvergleichs einzubeziehen. Diese Erwägungen können nicht nur für § 1 AStG, sondern auch für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bedeutsam werden, z.B. bei der Geschäftsführervergütung.
5. Dass es im Urteilsfall noch um das Streitjahr 1991 ging und dass im AStG in dessen § 1 Abs. 4 mit erstmaliger Wirkung vom VZ 1992 an eine eigenständige Definition der Geschäftsbeziehung enthalten ist, ändert daran nichts: Seitdem gehören zu den Geschäftsbeziehungen Beziehungen, die Teil einer Tätigkeit i.S.d. §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG sind. Das k...