Leitsatz
Auch wenn nach summarischer Prüfung verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG jedenfalls insoweit bestehen, als die Niedrigsteuerschwelle im Sinne des § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG (25 %) höher ist als die niedrigste nationale Gesamtsteuerbelastung bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG (22,825 % unter Einbeziehung der Gewerbesteuer), bleibt eine Beschwerde im AdV-Verfahren ohne Erfolg, wenn es ausgeschlossen erscheint, dass die Antragsteller angesichts einer "Nullbesteuerung" der streitigen Einkünfte im Ausland von einer einen Verfassungs- beziehungsweise Unionsrechtsverstoß beseitigenden begünstigenden Rechtslage profitieren könnten.
Normenkette
§ 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und 3, § 10 Abs. 1 AStG, § 69 Abs. 3, § 128 Abs. 3 FGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin zu 1., der Antragsteller zu 4. sowie der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. und 3., W, waren Gesellschafter der in Hongkong ansässigen I-Ltd. (I), an deren Vermögen sie jeweils zu 1/3 beteiligt waren. Geschäftsführer waren der Antragsteller zu 4. und W. Gegenstand des Unternehmens der I sind Agentur- und Handelsgeschäfte diverser Art. Dazu heißt es im Schreiben der Steuerberater der Antragstellerin zu 1., des Antragstellers zu 4. und des W vom 27.8.2020: Der Geschäftsumfang sei nicht so hoch, dass eine ständige Anwesenheit eines Geschäftsführers vor Ort erforderlich sei; das operative Geschäft werde von einem Angestellten als Sachbearbeiter geführt; das Agenturgeschäft umfasse im Wesentlichen die Qualitätskontrolle für die I-GmbH (GmbH); der Umfang der Geschäftstätigkeit der I sei deutlich geringer als der der GmbH in Deutschland.
Ausweislich einer Bilanz (in englischer Sprache) erzielte I im Jahr 2016 einen Überschuss von … HKD (umgerechnet: … EUR). Eine Besteuerung dieser Einkünfte in Hongkong erfolgte nicht.
Für das Feststellungsjahr 2016 wurden keine Steuer- beziehungsweise Feststellungserklärungen in Deutschland abgegeben. Am 9.2.2021 erließ das FA gegenüber der Antragstellerin zu 1., dem Antragsteller zu 4. und W den streitgegenständlichen Feststellungsbescheid 2016. Hierin wurde unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, ausgehend von einer niedrigen Besteuerung der I (§ 8 Abs. 3 AStG), ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 AStG von … EUR festgestellt und den Feststellungsbeteiligten jeweils zu 1/3 zugerechnet.
Hiergegen legten die Antragstellerin zu 1., der Antragsteller zu 4. und W am 19.3.2021 Einspruch ein und beantragten die AdV. Diese wurde vom FA unter dem 22.3.2021 abgelehnt.
Unter dem 18.3.2021 beziehungsweise 19.3.2021 erließ das FA Z gegenüber der Antragstellerin zu 1., dem Antragsteller zu 4. und W geänderte ESt-Bescheide für das Jahr 2016, mit denen der jeweils gesondert festgestellte Hinzurechnungsbetrag von … EUR bei den der tariflichen ESt unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurde.
Unter dem 4.6.2021 wurde vonseiten der Antragsteller hinsichtlich des Feststellungsbescheids 2016 vor dem FG AdV beantragt.
Der Antrag wurde jedoch abgelehnt (FG Münster, Beschluss vom 11.2.2022, 2 V 1478/21 F, Haufe-Index 15082876).
Entscheidung
Der BFH wies die vom FG zugelassene Beschwerde als unbegründet zurück. Die Gründe sind den Praxis-Hinweisen zu entnehmen.
Hinweis
1. Zentral für die Hinzurechnungsbesteuerung ist die Niedrigsteuerschwelle. Mit ihr hat auch schon der historische Gesetzgeber des AStG 1972 festgelegt, wo er bei der Bekämpfung der Gewinnverlagerung in Niedrigsteuer-Länder ansetzen möchte. Nach aktueller Rechtslage gilt ein Staat als Niedrigsteuerland, wenn die ausländische Ertragsteuerbelastung unterhalb von 25 % liegt.
2. Schon lange wurde in der Literatur kritisiert, dass diese Niedrigsteuergrenze zu hoch angesetzt ist, insbesondere nachdem der Steuersatz bei der KSt auf 15 % abgesenkt worden war. Die Kritik ist durchaus berechtigt. Denn die inländische Mindeststeuerbelastung inklusive GewSt betrug im Streitjahr 2016 insgesamt 22,825 % (15 % KSt, 0,825 % Solidaritätszuschlag und 7 % GewSt bei einem nach § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG gesetzlich angeordneten "Mindesthebesatz" von 200 %). Wenn aber die Niedrigsteuerschwelle des AStG signifikant höher ist als die inländische Mindeststeuerbelastung, dann zieht das Argument der Steuerfluchtbekämpfung ersichtlich nicht mehr. Vielmehr müssten jetzt eigentlich ausländische Gesellschaften ihre Gewinne in das deutsche "Steuerparadies" verlagern.
3. Der BFH teilt aus den genannten Gründen die verfassungs- und unionsrechtlichen Zweifel an einer mit 25 % zu hoch angesetzten Niedrigsteuerschwelle. Dass er den Antragstellern dennoch keine AdV gewährt hat, liegt darin begründet, dass "deren" Kapitalgesellschaft in Hongkong überhaupt keiner steuerlichen Belastung ausgesetzt war ("Nullbesteuerung"). Selbst wenn also der deutsche Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten sein sollte, die Niedrigsteuerschwelle abzusenken und diese z.B. bei 15 % zu fixieren, würden die Antragsteller von die...