Christoph Naucke, Dr. Christian Corell
Die Neufassung des PS 980 präzisiert die Anforderungen an die Compliance-Organisation wesentlich. Sie ergänzt bereits die Beschreibungen der Grundelemente um die Forderung, Verantwortungsbereiche und Rollen eindeutig abzugrenzen, zu kommunizieren und zu dokumentieren. Auch die wesentlichen Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation des Compliance-Managements sind verbindlich vorzugeben und zu dokumentieren.
Die Anwendungshinweise verlangen wörtlich "die Integration des CMS in die Geschäftsprozesse des Unternehmens" als notwendiges Merkmal einer Compliance-Organisation. In Verbindung mit der Forderung nach einer dokumentierten Ablauforganisation kann das nur bedeuten, dass die für ein funktionierendes CMS erforderlichen Prozesse in der CMS-Beschreibung benannt und erläutert werden.
Im Regelfall sollten zumindest folgende Kernprozesse eines CMS dokumentiert werden:
Kernprozesse für Compliance-Ziele
- Rechtsmonitoring und Rechtskataster
Kernprozesse für Compliance-Risiken
- Abfrage, Bewertung und Aktualisierung des Compliance-Risikoportfolios (ggf. innerhalb des Risikomanagementprozesses)
Kernprozesse für das Compliance-Programm
- Entscheidung über die Erforderlichkeit von Risikomaßnahmen und -kontrollen zur Beherrschung der Compliance-Risiken (ggf. innerhalb des Risikomanagementprozesses)
- Nachhalten der Umsetzung vereinbarter Risikomaßnahmen (ggf. Verweis auf Follow-Up-Prozess des Risikomanagements)
- Planung und Durchführung der Compliance-Schulungen
- Bearbeitung von Anfragen zu compliance-konformem Verhalten
- Bearbeitung (insbes. Aufklärung) von Hinweisen auf Compliance-Verstöße
- Entscheidungsprozess für Reaktionen auf erwiesene Compliance-Verstöße
Kernprozesse für die Compliance-Kommunikation
- Compliance-Schulungen (insbes. Antikorruptions-Schulungen)
- formalisierter Compliance-Turnus/Jahresbericht an die gesetzlichen Vertreter
- regelmäßige Compliance-Berichterstattung an die gesetzlichen Vertreter
- Adhoc-Compliance-Berichterstattung an die gesetzlichen Vertreter
Außerdem nennt der neue PS 980 unangemessene Verallgemeinerungen sowie unausgewogene und verzerrende Darstellungen, wie beispielsweise insgesamt unklare prozessuale Zuständigkeitsbeschreibungen, als Merkmale einer unzureichenden CMS-Beschreibung.
Das Fehlen wesentlicher Informationen über die CMS-Aufbau- und Ablauforganisation führt unmittelbar zu einem höchstens noch eingeschränkten Prüfungsurteil. Dessen mittelbare Konsequenz reicht jedoch erheblich weiter: In einem Haftungsprozess um ein Organisationsverschulden gesetzlicher Vertreter ohne unmittelbare persönliche Beteiligung an schweren Compliance-Verstößen ist die Beweislage nämlich umso schlechter, je lückenhafter die verschriftlichten Informationen über das CMS sind.