6.2.1 Handelsbilanz
Die überwiegende Zahl der immateriellen Vermögensgegenstände ist abnutzbar, da durch Verwendung, Nutzung oder bloßen Zeitablauf in vielen Fällen ein Wertverlust eintritt. Handelsrechtlich sind immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, über die Geschäftsjahre abzuschreiben, in denen sie voraussichtlich genutzt werden.
Die Abschreibungsmethode ist handelsrechtlich nicht festgelegt, muss jedoch den Verlauf der Wertentwicklung des Vermögensgegenstands wiederspiegeln. Kann der Wertminderungsverlauf nicht verlässlich bestimmt werden, so ist nach DRS 24.102 die lineare Abschreibungsmethode anzuwenden.
Die Abschreibung beginnt mit dem Zeitpunkt des Erreichens des betriebsbereiten Zustands bzw. der Fertigstellung; auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Ingebrauchnahme kommt es nicht an.
Die Nutzungsdauer ist vom Bilanzierenden unter Berücksichtigung der betriebsindividuellen Gegebenheiten zu schätzen. Dabei können z. B. folgende Kriterien berücksichtigt werden:
- Produktlebenszyklen vergleichbarer Vermögensgegenstände.
- Wirtschaftliche Stabilität der Branche.
- Abhängigkeit der Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands von der Nutzungsdauer anderer Vermögensgegenstände.
Besonderes Gewicht kommt bei der Schätzung dem Umstand zu, dass sich immaterielle Vermögensgegenstände aufgrund des technischen Fortschritts oft schnell verflüchtigen bzw. veralten. Die Nutzungsdauer muss folglich vorsichtig geschätzt werden. Bei immateriellen Vermögensgegenständen wird oftmals eine Nutzungsdauer zwischen 3–5 Jahren angenommen.
Bei zeitlich beschränkten Schutzrechten ist der Schutzzeitraum nicht zwingend mit der Nutzungsdauer gleichzusetzen. So kann z. B. ein Patent aufgrund anderer, erkennbar bald verfügbarer Technologien bereits vor Ende der maximalen Dauer des Patentschutzes nutzlos werden. Die Abschreibung darf sich daher nicht nur an der gesetzlichen Schutzfrist orientieren, sie muss auch der wirtschaftlichen Abnutzung Rechnung tragen. Ggf. ist die Nutzungsdauer in diesem Fall kürzer als die Dauer des Rechtsschutzes. Das ist im Einzelfall abzuwägen.
In Bezug auf selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände besteht handelsrechtlich eine Beschränkung der Nutzungsdauer. Immer dann, wenn die voraussichtliche Nutzungsdauer eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands ausnahmsweise nicht verlässlich geschätzt werden kann, ist von einer Nutzungsdauer von 10 Jahren auszugehen. Gleiches gilt handelsrechtlich für den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert. Dieser ist handelsrechtlich ebenfalls über 10 Jahre abzuschreiben, wenn die Nutzungsdauer nicht verlässlich geschätzt werden kann.
6.2.2 Steuerbilanz
Analog zum Handelsrecht unterliegen abnutzbare immaterielle Vermögensgegenstände auch in der Steuerbilanz einer planmäßigen Abschreibung (=AfA). Für die Bestimmung der planmäßigen Abschreibung ist § 7 Abs. 1 EStG maßgebend. Danach ist zwingend die lineare Abschreibungsmethode anzuwenden.
Die Abschreibung erfolgt über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer.
Hinsichtlich der Nutzungsdauer von Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung und Computerhardware (sog. digitale Wirtschaftsgüter) kann nach BMF-Schreiben vom 22.2.2022, Rz. 1.1 grundsätzlich von einer Nutzungsdauer von 1 Jahr ausgegangen werden. Nach Rz. 1.2 des BMF-Schreibens kann der Bilanzierende alternativ eine längere (tatsächliche) Nutzungsdauer zugrunde legen. Zur ausführlichen Darstellung der Regelung wird auf den Beitrag Software, Anschaffung und Abschreibung, Kap. 4.2 sowie den Beitrag Homepage und Domain verwiesen. Letzterer behandelt auch die Anwendung einer einjährigen Nutzungsdauer für "Computerhardware".
Alle anderen abnutzbaren immateriellen Vermögensgegenstände sind grundsätzlich über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben. In den vom BMF herausgegebenen AfA-Tabellen finden sich jedoch keine Beispiele für die Nutzungsdauern immaterieller Vermögensgegenstände. Daher muss der Bilanzierende die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer unter Beachtung der oben dargestellten Aspekte schätzen. Die vorgenommene Schätzung sollte dokumentiert werden. Für einen Überblick über die von der Steuerrechtsprechung entschiedenen bzw. im Schrifttum empfohlenen Nutzungsdauern wird auf den Beitrag Nutzungsdauer und AfA-Tabellen: Die richtige Vorgehensweise verwiesen. Einige Beispiele für Nutzungsdauern immaterieller Vermögensgegenstände finden sich folgender Tabelle:
Immaterieller Vermögensgegenstand |
Nutzungsdauer |
Nutzungsrechte, z. B. Mietrechte |
Dauer des eingeräumten Rechts |
Standardsoftware |
3 Jahre |
Individualsoftware |
3 Jahre oder länger |
Geschäfts- oder Firmenwert |
Ein Geschäfts- oder Firmenwert ist in der Steuerbilanz nach § 7 Abs. 1 EStG über 15 Jahre abzuschreiben. Handelsbilanz: verlässlich geschätzte Nutzungsdauer oder 10 Jahre |
Beispiele von Nutzungsdauern wesentlicher immaterieller Vermögensgegenstände