2.1 Allgemeine Aktivierungsvoraussetzungen
Ein Aktivposten ist nach CF.4.3. ff. und CF.5.7 ff. in der Bilanz dann anzusetzen, wenn ein Vermögenswert vorliegt,
- d. h. eine vom Unternehmen kontrollierte Ressource mit
- einem wahrscheinlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzen und
- kein spezielles Aktivierungsverbot, wie etwa für selbst geschaffene Marken (IAS 38.63), besteht.
Zwischen einem Vermögenswert nach IFRS und einem Vermögensgegenstand oder Rechnungsabgrenzungsposten nach HGB können aufgrund der genannten Kriterien grundlegende Unterschiede bestehen. Aus theoretischer Sicht lassen sich etwa Argumente finden, dass Werbeaufwendungen einen Vermögenswert nach IFRS, aber keinen Vermögensgegenstand nach HGB darstellen. Werbeaufwendungen sind jedoch auch nach IFRS nicht aktivierungsfähig. Für derartige Fälle gilt deshalb folgende Faustregel:
Vermögenswert |
≠ |
Vermögensgegenstand |
|
aber |
|
aktivierbarer Vermögenswert |
= |
aktivierbarer Vermögensgegenstand |
Bei theoretischen Unterschieden überwiegen die praktischen Gemeinsamkeiten zwischen IFRS und HGB.
2.2 Besonderheiten beim immateriellen Anlagevermögen
2.2.1 Aktivierungsvoraussetzungen immateriellen Anlagevermögens
Die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte (intangible assets) ist geregelt:
- für das immaterielle Anlagevermögen allgemein in IAS 38,
- für den goodwill in IFRS 3,
- für immaterielles Umlaufvermögen in IAS 2.
IAS 38 konzentriert sich zunächst darauf, die allgemeinen Kriterien eines Vermögenswerts für den speziellen Fall immateriellen Vermögens zu konkretisieren. Hierbei spielen vier Kriterien eine vorrangige Rolle:
- Identifizierbarkeit,
- Verfügungsmacht,
- Wahrscheinlichkeit künftigen wirtschaftlichen Nutzens und
- zuverlässige Messbarkeit der Kosten.
Unter dem Aspekt der Identifizierbarkeit wird verlangt, dass ein (sonstiger) immaterieller Vermögenswert vom Gesamtunternehmen bzw. vom Firmenwert unterschieden werden kann (IAS 38.11). Grundlage dieser Unterscheidbarkeit kann die wirtschaftliche Separierbarkeit oder die rechtliche Eigenständigkeit sein.
- Separierbarkeit bedeutet, dass der Vermögenswert verpachtet, lizenziert, verkauft oder getauscht werden kann, ohne gleichzeitig das ganze Unternehmen zu verpachten oder zu veräußern.
- Bei rechtlicher Eigenständigkeit, d. h. vertraglich oder gesetzlich begründeten Werten, kommt es auf die Separierbarkeit nicht an (IAS 38.12).
Die Kontrolle oder Verfügungsmacht als zweites Kriterium drückt sich am deutlichsten darin aus, dass der Zugriff Dritter beschränkt werden kann (IAS 38.13). Ein typisches Beispiel sind Patent- oder Urheberrechte, die gerichtlich gegen Verletzungen durchgesetzt werden können.
An der Kontrolle bzw. Verfügungsmacht fehlt es z. B. in der Regel., wenn eine Cloud-Dienstleistung im Rahmen eines üblichen Software-as-a-Service-Vertrags (SaaS) genutzt wird. Beim SaaS kann ein kontrollierter immaterieller Vermögenswert allerdings dann ausnahmsweise zu bejahen sein, wenn der Kunde das Recht hat, die Software während der Vertragslaufzeit durch Download oder Kopie auf physischem Speichermedium in Besitz zu nehmen. Fehlt es daran und liegt deshalb nur ein nicht bilanzierungsfähiges schwebendes Geschäft vor, können nach auf US-GAAP gestützter Auffassung unter Umständen gleichwohl Kosten der Implementierung, Datenmigration usw. aktiviert werden.
Der dritte Aspekt, die Wahrscheinlichkeit des Nutzens, begrenzt den Kreis zu aktivierender Vermögenswerte nur im Fall der Herstellung (originäre immaterielle Vermögenswerte).
- Beim Kauf einzelner Vermögenswerte von einem fremden Dritten ist der Nutzen durch die Transaktion selbst belegt: ohne Wahrscheinlichkeit eines Nutzens wäre kein Kaufpreis gezahlt worden (IAS 38.25).
- Beim Zugang immaterieller Vermögenswerte durch einen Unternehmenskauf hindern Zweifel am Nutzenpotenzial den Bilanzansatz nicht. Sie sind lediglich im Rahmen der Bewertung etwa durch einen Abschlag zu berücksichtigen (IAS 38.33).
- Nur bei selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten kann die Bilanzierung an Unsicherheiten der Nutzenerwartung scheitern (IAS 38.57(d)).
Der vierte Aspekt, die verlässliche Messbarkeit der Kosten, gestaltet sich beim Erwerb ganzer Unternehmen unter Umständen schwierig. Der Erwerbspreis ist einzelnen (immateriellen) Vermögenswerten zuzuordnen, indem deren Zeitwert (fair value) ermittelt wird. Insbesondere cashflow-orientierte Bewertungsmodelle gelangen hier zum Einsatz. Zur Wirkung der Kriterien das nachfolgende Beispiel:
Beispiel
Die SolarSun GmbH hat Geschäftsräume und Auslieferungslager von Wanneeickel nach Freiburg verlegt, da sich der alte Standort im Hinblick auf das Produktangebot als imageschädlich erwiesen hat.
Die GmbH hat über das Maß von Wettbewerbern hinaus in die Ausbildung der Mitarbeiter investiert und kann die zusätzlichen Mitarbeiterfähigkeiten verlässlich identifizieren.
Die GmbH hat ein post-acquisition-Team eingerichtet, das die Kunden intensiv nach Erwerb von Solaranlagen betreut. Hierdurch konnten nachweisbar die Kundenloyalität und Markentreue gesteigert werden.
G hat als Gesellschafter der GmbH ein gewerbliches Schutzrecht eingelegt. Das Kapital der GmbH ist im Gegenzug um nominal 100 TEUR erhöht worden. Gemessen am ...