Die für den Leasinggeber geltenden Zurechnungskriterien in IFRS 16 weisen starke Parallelen zu den deutschen steuerrechtlichen (in der Regel auch in der Handelsbilanz befolgten) Regelungen auf. Aufgabe des Bilanzierenden ist es, den Leasingvertrag als operating lease mit Zurechnung des Leasingobjekts beim Leasingnehmer oder als finance lease mit Ausbuchung des Leasingobjekts zu qualifizieren (IFRS 16.61).
Ein finance lease, der zur Ausbuchung des Leasingobjekts beim Leasinggeber führt, liegt vor, wenn alle wesentlichen Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer übergehen (IFRS 16.62). Dies ist in der Regel der Fall, wenn
- der Leasinggegenstand spezialisierter Art ist und dem Grunde nach nur vom Leasingnehmer genutzt werden kann (IFRS 16.63(e)) oder
- die Summe aus Grundmietzeit und günstiger, unter dem Marktpreis liegender Verlängerungsoption den größten Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögenswerts ausmacht (IFRS 16.63(c)) oder
- der Leasingvertrag eine günstige, unter dem Marktpreis liegende Kaufoption für den Leasingnehmer enthält (IFRS 16.63(b)) oder
- der auf den Beginn des Leasingvertrags gerechnete Barwert der Leasingzahlungen den anfänglichen Zeitwert des Leasinggegenstands so gut wie erreicht oder gar übersteigt (IFRS 16.63(d)).
- Bei Grund und Boden bestehen Besonderheiten. Insbesondere scheidet der Vergleich von Mietzeit und ökonomischer Lebensdauer in der Regel aus; bei sog. long-term leases, etwa einem Nutzungsvertrag über 100 Jahre, kann aber das Barwertkriterium bzw. der auf den Leasingbeginn diskontierte geringe Wert des Herausgabeanspruchs des rechtlichen Eigentümers zur Qualifizierung als finance lease führen.
Ein wesentlicher Unterschied zu den Steuererlassen ergibt sich daraus, dass die IFRS-Kriterien nicht quantifiziert werden. Die Aussage, dass die Laufzeit des Leasingverhältnisses den "überwiegenden Teil" der wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht überschreiten darf, wenn das Objekt beim Leasinggeber bleiben soll, lässt anders als die Aussage, dass "90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer" nicht überschritten werden dürfen, Interpretationsspielräume offen.
Tipp
In Grenzbereichen besteht deshalb nach IFRS ein faktisches Wahlrecht. Dies gilt nicht nur für das Nutzungsdauerkriterium, sondern auch für das dem deutschen (Steuer-)Recht fremde Barwertkriterium oder für das Kaufoptionskriterium.
Dies eröffnet dem Bilanzierenden nun faktische Wahlrechte.
- Er kann diese Wahlrechte verfahrensökonomisch in dem Sinne nutzen, dass die steuerrechtlich geprägten Entscheidungen der HGB-Bilanz für den IFRS-Abschluss beibehalten werden können.
- Er kann aus bilanzpolitischen Gründen im IFRS-Abschluss zu anderen Zurechnungen als im HGB-Abschluss gelangen.
Die prinzipielle Übereinstimmung zwischen IFRS und Handels-/Steuerbilanz – beim Leasinggeber – zeigt auch das nachfolgende Prüfschema.
Abb. 6: Prüfschema: Zurechnung Leasingobjekt
Im deutschen Recht nicht vorgesehen ist das Barwertkriterium. Inhaltlich geht es darum, wer das Amortisationsrisiko trägt. Festgemacht wird dies am Verhältnis des Barwerts der Mindestleasingzahlungen zum Zeitwert (fair value) des Leasingobjekts, beide bestimmt auf den Beginn des Leasingverhältnisses. Erreicht der Barwert annähernd (nach h. M. zu 90 % oder mehr) den Zeitwert, liegt das Amortisationsrisiko beim Leasingnehmer und ist deshalb ein finance lease anzunehmen. Der Barwert ist wie folgt zu bestimmen:
- Anzusetzen sind die Mindestleasingzahlungen, d. h. neben allen Zahlungen während der unkündbaren Grundmietzeit auch erwartete Zahlungen für eine günstige Kaufoption oder für Restwertgarantien (IFRS 16.70).
- Die Zahlungen sind mit dem internen Zinsfuß des Leasinggebers zu diskontieren (IFRS 16.68).
Zur Anwendung des Barwertkriteriums folgendes Beispiel:
Beispiel
Leasinggesellschaft LG "vermietet" ab 31.12.00 an LN Hardware sowie einen Reisebus. Der Zeitwert der Objekte beträgt jeweils 400 TEUR. Beide Leasingverträge laufen über vier Jahre. Die jeweils am Jahresende 01 ff. zu zahlenden Leasingraten betragen 126,2 TEUR bei der Hardware, 63,1 TEUR beim Bus. Restwertgarantien, Kaufoptionen etc. sind nicht vorgesehen. Die Nutzungsdauer beider Objekte beträgt mehr als sechs Jahre.
Der interne Zinssatz des Leasinggebers beträgt 10 %.
Beurteilung
Die Barwertberechnung führt zu folgenden Werten für die Hardware:
Jahr |
Rate |
Disk.-Faktor |
Barwert |
01 |
126,2 |
0,9091 |
114,7 |
02 |
126,2 |
0,8264 |
104,3 |
03 |
126,2 |
0,7513 |
94,8 |
04 |
126,2 |
0,6830 |
96,2 |
|
|
|
400,0 |
Bei halb so hoher Leasingrate beträgt der Barwert der Mindestleasingzahlungen für den Bus 200 TEUR. Das Leasingverhältnis über die Hardware ist ein finance lease, das über den Bus ein operating lease.
Die ökonomische Interpretation ist wie folgt:
- Hardware hat nach vier Jahren keinen relevanten Restwert mehr. Der Leasinggeber muss daher die Raten so kalkulieren, dass er die volle Amortisation über die Vertragsdauer erzielt. Der Leasingnehmer trägt also das volle Risiko.
- Anders beim Bus; er hat nach vier Jahren einen relevanten Restwert. Risiko und Chance etwa au...