Dipl.-Finanzwirt Helmut Bur
Leitsatz
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG erfasst auch Aufwendungen, die geleistet werden, um einen erworbenen Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, und die daher gem. § 255 Abs. 1 HGB zu den Anschaffungskosten gehören.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen erwarben im August 2008 ein Einfamilienhaus zu einem Kaufpreis von 275.000 EUR. Die Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf 22.155 EUR. Ab Dezember 2008 vermieteten sie das Einfamilienhaus an ihren Sohn. Zwischenzeitlich nahmen sie Renovierungen vor. Unter anderem ließen sie alle Fenster austauschen und sonstige Sanierungsarbeiten durchführen.
In der Einkommensteuererklärung 2008 machten sie bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Einfamilienhaus 17.850 EUR für den Austausch der Fenster als Anschaffungskosten und 16.616,96 EUR für sonstige Sanierungsarbeiten als Erhaltungsaufwand geltend. Das Finanzamt erkannte die 16.616 EUR für Sanierungsarbeiten nicht als Erhaltungsaufwand an, sondern berücksichtigte sie als anschaffungsnahen Herstellungsaufwand, weil sie zusammen mit den Aufwendungen für die Fenster die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG überstiegen.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts München hat das Finanzamt zu Recht die Aufwendungen für Sanierungsarbeiten an dem Einfamilienhaus in Höhe von 16.616 EUR nicht als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand bei den Einkünften aus Vermietung behandelt. Diese Aufwendungen seien als anschaffungsnaher Herstellungsaufwand gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1a i. V. m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG zu aktivieren und nur im Wege der AfA gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG über die Nutzungsdauer verteilt zu berücksichtigen. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG erfasse nach Auffassung des Gerichts auch Aufwendungen, die geleistet werden, um einen erworbenen Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, und die daher gem. § 255 Abs. 1 HGB zu den Anschaffungskosten gehören. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG führe also nicht nur zu einer Umqualifizierung von Erhaltungsaufwendungen, sondern darüber hinaus auch von Anschaffungskosten zu Herstellungskosten. Insofern sei die steuerliche Vorschrift lex specialis und genieße Anwendungsvorrang vor § 255 HGB.
Hinweis
Obwohl vor dem BFH bereits ein Verfahren anhängig ist zu der Frage, ob Aufwendungen, die aus anderen Gründen schon als Herstellungskosten im Sinne von § 255 Abs. 2 HGB zu klassifizieren sind, in die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einzurechnen sind (vgl. die Entscheidung des 6. Senats des Finanzgerichts München v. 25.2.2014, 6 K 2930/11, Revision eingelegt, Az. des BFH: IX R 25/14) erschien dem 11. Senat des Finanzgerichts München ein Ruhen des Verfahrens nach § 155 FGO nicht zweckmäßig. Der Urteilsfall betrifft nach Auffassung des 11. Senats nämlich Aufwendungen, die möglicherweise nach den allgemeinen Grundsätzen als Anschaffungskosten zur Herstellung der Betriebsbereitschaft (§ 255 Abs. 1 HGB) zu qualifizieren wären.
Der Steuerpflichtige hat Revision bei BFH eingelegt (Az. des BFH: IX R 15/15). In gleich gelagerten Fällen sollten die Steuerpflichtigen Einspruch einlegen und in Hinblick auf die anhängige Revision Ruhen des Verfahrens beantragen.
Link zur Entscheidung
FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2015, 11 K 1886/12