Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Wird eine Inhaberschuldverschreibung während ihrer Laufzeit mit 1 % p.a. fest verzinst, liegt eine von der Wertentwicklung des eingesetzten Kapitals eindeutig abgrenzbare Emissionsrendite vor.
2. Inwieweit die zugesagte Mindestrendite dem Kapitalmarkt im Zeitpunkt der Emission entspricht, ist für das Vorliegen einer Emissionsrendite i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG unerheblich.
3. Der Einkommensteuerbescheid ist nicht Bezugspunkt für eine Änderung der nach § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG nicht ausgleichbaren Veräußerungsverluste.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c, § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb einen Kauf-Optionsschein (Optionsschein I). Im Fall der Ausübung der Option war der Kläger berechtigt, eine Inhaberschuldverschreibung (ISV) zu erwerben (ISV I), deren Auszahlungsprofil an die Wertentwicklung des DAX gekoppelt war.
Die ISV I hatte eine Laufzeit von 15 Monaten und war mit 1 % p.a. verzinst. Der Rückzahlungsbetrag der ISV I hing von der Wertentwicklung des DAX innerhalb eines näher bestimmten Beobachtungszeitraums ab:
Bewegte sich der DAX innerhalb des Beobachtungszeitraums in Übereinstimmung mit den Erwartungen der Analysten, wurde die ISV I bei Fälligkeit i.H.v. 277.500 EUR zurückgezahlt.
Sobald der DAX während des Beobachtungszeitraums auf oder unter eine "untere Barriere" fiel, betrug der Rückzahlungsbetrag 37.500 EUR.
Erreichte oder überschritt der DAX während des Beobachtungszeitraums eine "obere Barriere", belief sich der Rückzahlungsbetrag auf 450.000 EUR.
Zur teilweisen Absicherung dieses Verlustrisikos erwarb der Kläger einen weiteren Kauf-Optionsschein, (Optionsschein II). Im Fall einer Ausübung von Optionsschein II war der Kläger berechtigt, eine weitere ISV zu erwerben, deren Zahlungsprofil gegenläufig an die Wertentwicklung des DAX gekoppelt war, deren Ausstattungsmerkmale im Übrigen aber denen der ISV I spiegelbildlich entsprachen (ISV II).
Nachdem der DAX die "obere Barriere" überschritten hatte, übte der Kläger seinen Optionsschein II aus und erwarb die ISV II. Diese wurde mit einem Verlust i.H.v. 220.000 EUR zurückgezahlt. Den Optionsschein I veräußerte er, ohne die Option auszuüben, und erzielte hierdurch einen Gewinn i.H.v. 190.284 EUR. Der Kläger erfasste diesen Betrag in der Einkommensteuererklärung für 2006 nicht, da er die Auffassung vertrat, dass die Veräußerung außerhalb der Jahresfrist des § 23 EStG erfolgt sei.
In der Einkommensteuererklärung für 2007 machte der Kläger den Verlust aus dem Erwerb und der Rückzahlung der ISV II i.H.v. 220.000 EUR bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Das FA fasste den erklärten Verlust aus der Rückzahlung der ISV II mit dem Gewinn aus der Veräußerung des Optionsscheins I zusammen und erkannte bei den Einkünften aus Kapitalvermögen lediglich einen Verlust i.H.v. 27.922 EUR an.
Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 1.7.2011, 2 5 K 190/09, Haufe-Index 2731580, EFG 2011, 1892).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.
Das FG habe im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Zwar handele es sich bei der vom Kläger erworbenen ISV II um eine Schuldverschreibung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c Alternative 2 EStG. Jedoch sei der vom Kläger erlittene Verlust aufgrund der eindeutig abgrenzbaren Emissionsrendite der ISV II von 1 % p.a. nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als negative Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen. Danach habe das FA zu Unrecht negative Kapitaleinkünfte i.H.v. 27.922 EUR berücksichtigt. Jedoch sei es dem BFH ebenso wie dem FG wegen des aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO resultierenden Verböserungsverbotes versagt, den Einkommensteuerbescheid zuungunsten des Klägers zu ändern.
Dabei könne der Senat offenlassen, ob der geltend gemachte Verlust nach § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 EStG zu berücksichtigen sei, da über die Frage im vorliegenden Klageverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer nicht zu entscheiden sei.
Hinweis
Auch das bis zur Einführung der Abgeltungsteuer geltende Recht bringt noch kniffelige Rechtsfragen hervor. Hier geht es um den Begriff der Emissionsrendite.
1. Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG sind auf Geldleistungen gerichtete Forderungen ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Der Anspruch auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals ist nicht Voraussetzung für die Annahme einer Kapitalforderung. Der Tatbestand von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG verlangt hierfür lediglich, dass die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist als Emissionsrendite die vom Emittenten bei der Begebung der Anlage von vornherein zugesagte, eindeutig abgre...