Leitsatz
Ist Art. 187 Unterabs. 2 des Zollkodex" dahin auszulegen, dass bei der Überführung von Veredelungserzeugnissen, die als Rückwaren angemeldet werden, in den zollrechtlich freien Verkehr auch die für die Berechnung der gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben erforderlichen Tatsachen angemeldet und nachgewiesen werden müssen oder sind diese, sofern möglich, von der abfertigenden Zollstelle bei der überwachenden Zollstelle mittels des Formblatts INF 1 entsprechend dem in Art. 613 der ZKDVO in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung vorgeschriebenen Verfahren zu erfragen?
Normenkette
Art. 234 EG , Art. 15 ZK , Art. 37 ZK , Art. 62 Abs. 1 Satz 2 ZK , Art. 62 Abs. 2 ZK , Art. 121 ZK , Art. 185 Abs. 1 ZK , Art. 187 Unterabs. 2 ZK , Art. 201 Abs. 1 ZK , Art. 217 ZK , Art. 2 ZKDVO , Art. 313 Abs. 2 Buchst. a ZKDVO
Sachverhalt
Ein Handelsunternehmen kaufte in Tschechien Pkws und führte sie mit einer Rückwarenerklärung und dem Nachweis nach Formblatt EUR 1, wonach es sich um Waren mit Ursprung Deutschland handelte, in die Gemeinschaft ein. Später erfuhr die Zollbehörde von einem vorherigen Veredelungsverkehr mit den Pkws. Das HZA berechnete gleichwohl den Zoll nicht auf der Grundlage von Informationen der Zollstelle, die diesen Veredelungsverkehr überwacht hatte, sondern unterwarf die Pkws einer vollen Verzollung.
Entscheidung
Der BFH hat Zweifel, ob trotz fehlender Angaben des Handelsunternehmens über den Wert der in den Pkws enthaltenen Einfuhrwaren der Zoll nicht auf deren Basis hätte berechnet werden müssen, nachdem die Zollbehörde sich die dafür erforderlichen Informationen von sich aus bei der Behörde hätte verschaffen können, die den Veredelungsverkehr überwacht hat. Die einschlägigen Rechtsvorschriften geben für ein solches Verfahren freilich wenig her. Der BFH beruft sich jedoch auf den "Charakter des Zolls als Wirtschaftszoll", der eine volle Verzollung auch der in den Waren enthaltenen (bei der Veredelung hinzugefügten) Gemeinschaftswaren "bedenklich" erscheinen lasse, und vor allem auf die Regelungen der ZKDVO, die für den Fall einer unmittelbar an die Veredelung anschließenden Einfuhr eine Zusammenarbeit der Zollbehörden in dem eben geschilderten Sinn vorschreibt.
Hinweis
Vorabentscheidungsersuchen, die nach Art. 234 EG von jedem Gericht an den EuGH gerichtet werden können und von dem letztinstanzlich entscheidenden Gericht an ihn gerichtet werden müssen, sofern die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zweifelhaft ist (oder ihre Rechtsgültigkeit bezweifelt wird), stellen Fragen. Sie geben aber nicht notwendigerweise auch eine(n) Antwort(vorschlag).
Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft eine spezielle Frage aus dem Recht der aktiven Veredelung, also der Einfuhr von Nicht-Gemeinschaftswaren zur Veredelung in der Gemeinschaft und anschließenden Wiederausfuhr aus der Gemeinschaft. Kehren solche in der Gemeinschaft veredelte Waren nach ihrer Wiederausfuhr erneut in die Gemeinschaft zurück, handelt es sich zwar nicht um sog. Rückwaren, weil es sich ja nicht um Gemeinschaftswaren handelt. Art. 187 ZK lässt jedoch die entsprechende Anwendung der Rückwarenregelung zu. Die Eingangsabgaben können danach im Prinzip so berechnet werden, wie sie im aktiven Verdelungsverkehr zu berechnen gewesen wären, d.h. auf der Basis des Werts der Einfuhrwaren im Zeitpunkt ihrer Anmeldung zum Veredelungsverkehr.
Beachten Sie das für das Zollrecht kennzeichnende Anmeldeprinzip: Der Zollbeteiligte muss die Waren für eine bestimmte zollrechtliche Behandlung anmelden und dabei grundsätzlich alle Angaben machen, die für die betreffende zollrechtliche Behandlung vonnöten sind, insbesondere also z.B. über die Bemessungsgrundlage der Einfuhrabgaben.
Dieses Prinzip streng verwirklicht, würde bedeuten, dass bei "Veredelungs-Rückwaren" der Wert der in ihnen enthaltenen (veredelten) Einfuhrwaren angemeldet werden müsste. Diesen kennt aber der Einführer unter Umständen gar nicht; denn er hat nicht notwendigerweise selbst den Veredelungsverkehr eröffnet, sondern die Ware erst später von einem Dritten angekauft!
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 22.1.2002, VII R 23/01