Leitsatz

1. Eine Mutter, die mit ihren Kindern im Ausland lebt, hat im Inland keinen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Wohnsitz, wenn ihr zwar von Angehörigen eine eingerichtete Wohnung zur jederzeitigen Benutzung zur Verfügung gestellt wird, diese jedoch lediglich zweimal im Jahr zwei bis drei Wochen genutzt wird.

2. Es ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen einer Mutter ohne inländischen Wohnsitz deshalb Kindergeld gewährt werden kann, weil sie gem. § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EStG , § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 b EStG , § 8 AO

 

Sachverhalt

Die 1956 geborene, unverheiratete Klägerin lebt mit ihren drei in Deutschland geborenen Kindern in Griechenland bei dem Vater der Kinder. Die beiden ältesten Kinder besuchen dort die Schule. In Deutschland benutzt die Klägerin mit ihren Kindern regelmäßig zweimal im Jahr eine den Eltern gehörende Wohnung für jeweils zwei bis drei Wochen.

1996 und 1997 bezog die Klägerin Einnahmen aus gelegentlicher nichtselbstständiger Arbeit für das Geschäft ihres Vaters. Die ESt betrug jeweils 0 DM. 1998 hat die Klägerin beim FA einen Antrag gestellt, sie ab 1996 als gem. § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Die Familienkasse lehnte einen Kindergeldanspruch der Klägerin ab 1996 ab.

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse gegen das stattgebende Urteil des FG führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Das FG habe rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin nutze die Wohnräume als ständige Bleibe. Die Klägerin habe sich nur kurzfristig zu den Ferien bei den Eltern aufgehalten. Das FG habe aber noch zu prüfen, ob der Klägerin ein Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zustehe.

 

Hinweis

Die Frage, ob Eltern (vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bzw. Kinder (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG) im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO 1977) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO 1977) haben, bestimmt sich nach den Gesamtumständen des Falls (vgl. auch BFH-Urteile vom 23.11.2000, VI R 107/99, BStBl II 2001, 294; VI R 165/99, BStBl II 2001, 279 – vgl. BFH/PR 2001, 130 ff.).

Die Besprechungsentscheidung hebt hervor, dass zur Begründung eines Wohnsitzes nicht nur erforderlich ist, eine Wohnung innezuhaben. Nach der Rechtsprechung muss dem Steuerpflichtigen die Wohnung auch dadurch als Bleibe dienen, dass er sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender Zeiträume zu Urlaubs- und Erholungszwecken macht eine Wohnung nicht zum Wohnsitz.

§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nimmt allerdings auf § 1 Abs. 3 EStG (Grenzpendlerregelung) Bezug. Demnach kann ein Elternteil auch dann kindergeldberechtigt sein, wenn es im Inland zwar keinen Wohnsitz, aber seine wesentliche Erwerbsgrundlage hat. Problematisch scheinen insoweit solche Fälle zu sein, bei denen der Elternteil nur geringe Einkünfte hat, die zu keiner Steuer führen.

Für den Kindergeldanspruch sind – anders als für den Kinderfreibetrag – nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG grundsätzlich nur solche Kinder zu berücksichtigen, die einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem EWR-Staat haben. Ausnahmen sieht § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG nur für Kinder vor, die im Haushalt eines nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtigen Berechtigten im übrigen Ausland leben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.01.2001, VI R 64/98

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