Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Bloße "Ungewöhnlichkeiten" bei Geschäftsanbahnung und Ausführung der Lieferung sind kein ausreichender Nachweis für das Vorliegen von Scheingeschäften. Insoweit trägt das Finanzamt die Feststellungslast. Wurden die gelieferten Kfz zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet, ist die Annahme eines fehlenden Belegnachweises nicht schädlich.
Sachverhalt
Laut Finanzamt handele es sich bei drei innergemeinschaftlichen Kfz-Lieferungen der Klägerin im Jahr 2017 an den in der Slowakei ansässigen Abnehmer A um Scheingeschäfte. Der Klägerin lagen ein Handelsregisterauszug der Firma A sowie eine bestätigte Abfrage ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr. SK) vor. Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG wegen fehlenden Belegnachweisen für Abhollieferungen (Empfangsbestätigung Abnehmer, Verbringensversicherung Abholer, Abholvollmacht). Auch sei A als sogenannte Scheinfirma nicht der tatsächliche Abnehmer der Kfz gewesen. Am rein statuarischen Firmensitz von A in der Slowakei befand sich ein Buchhaltungsbüro, das Post der A nach Ungarn an den in Ungarn ansässigen Geschäftsführer von A weiterleitete. Die Abwicklung und Bezahlung der Verkäufe sei über drei ungarische Autohändler erfolgt.
Erst im Gerichtsverfahren wurde bekannt, dass - anstatt von Abhollieferungen - Versendungslieferungen durch eine Spedition in die Slowakei erfolgten.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG sind die oben genannten Kfz-Lieferungen steuerfrei nach § 6a UStG. Ein Scheingeschäft liegt bei der Abnehmerbestimmung von innergemeinschaftlichen Lieferungen vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäftes einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen. Zwar erfolgte hier auch nach Auffassung des FG eine ungewöhnliche Geschäftsanbahnung und - abwicklung. Derartige "Ungewöhnlichkeiten" mit lediglich möglichen, aber nicht nachgewiesenen Hintergründen stellen aber noch keinen ausreichenden Nachweis für das Vorliegen eines Scheingeschäftes zwischen der Klägerin und A dar. Genauso sei es hier möglich, dass die Einschaltung von A nur der Durchführung einer geplanten Umsatzsteuerhinterziehung durch Dritte in Ungarn und/oder in der Slowakei diente. Dass die Klägerin wusste, dass A in der Slowakei nur für einen Weiterverkauf der Kfz nach Ungarn "zwischengeschaltet" werden sollte, reiche allein nicht für die Annahme eines Scheingeschäftes aus. Insoweit trägt das Finanzamt die Feststellungslast. Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG setzt voraus, dass "der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet" hat und dass der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat. Steht - wie im Streitfall - aufgrund einer durchgeführten Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Kfz zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet (hier Slowakei) durch eine Spedition versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden. Auch kann sich der aus der USt-IdNr. von A ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden (BFH, Urteil v. 26.9.2019, V R 38/18, BStBl 2020 II S. 112).
Hinweis
Das FG hat zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass im Streitjahr 2007 die EuGH-Rechtsprechung zum Missbrauch noch nicht so deutlich wie heute ausgeprägt war.
Das oben genannte Urteil bestätigt wieder, wie wichtig für den innergemeinschaftlichen Lieferer die Einholung einer qualifizierten Bestätigung der USt-IdNr. des Abnehmers beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ist. Zusätzlich muss als Verbringensnachweis bei Versendung die Bestätigung des Frachtführers bzw. bei Abholung die Bestätigung des Abnehmers über die Verbringung des Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet vorliegen. Auch ist die innergemeinschaftliche Lieferung in der sogenannten "Zusammenfassenden Meldung" an das BZSt zu melden.
Link zur Entscheidung
FG München, Gerichtsbescheid v. 28.01.2021, 3 K 1983/17