Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
U ist Unternehmer, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist; zu dem Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung gehören alle Lieferungen von Gegenständen.
Unternehmerische Tätigkeit gilt grenzüberschreitend
Die unternehmerische Tätigkeit ist nicht auf einen Staat begrenzt. Ist der Unternehmer unternehmerisch tätig, erstreckt sich seine Tätigkeit auf seine weltweiten Aktivitäten.
1. Lieferung vom 6.1.2022 (ohne USt-IdNr.)
U führt eine Lieferung gegenüber dem Abnehmer A in den Niederlanden aus, da er ihm die Verfügungsmacht an der Ware verschafft. Da die Ware durch einen beauftragten Dritten transportiert wird, handelt es sich um eine Versendungslieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt und damit am Ort der Übergabe an den Frachtführer ausgeführt ist. Die Lieferung ist in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar.
Kein Ort der Lieferung nach § 3c UStG
Theoretisch wäre zu prüfen, ob sich für U der Ort seiner Lieferung nach § 3 Abs. 5a i. V. m. § 3c Abs. 1 UStG in die Niederlande – dem Ort, an dem sich die Ware am Ende der Versendung befindet – verlagern würde. Da nach den Sachverhaltsangaben A aber Unternehmer sein soll und auch für sein Unternehmen handelt, gehört er nicht zu den in § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichneten Empfängern und ist nach den Sachverhaltsangaben auch kein "besonderer Unternehmer" i. S. d. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG, sodass kein Abnehmer nach § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG aus Sicht des liefernden Unternehmers vorliegt.
Da die Ware aber aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftgebiet gelangt, ist zu prüfen, ob eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a Abs. 1 UStG vorliegen kann. Die Ware wird in einen anderen Mitgliedstaat versendet und der Erwerb unterliegt offensichtlich auch – ohne dass dies U allerdings nachweisen kann – in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung. In Ermangelung einer vorliegenden USt-IdNr. kann U allerdings nicht nachweisen, dass der Leistungsempfänger ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer registrierter Unternehmer ist. Außerdem kann er nicht die seit dem 1.1.2020 notwendige Voraussetzung erfüllen, dass der Leistungsempfänger ihm gegenüber eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwendet hat. Da die notwendigen Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vorliegen, unterliegt die Lieferung keiner Steuerbefreiung und ist damit steuerpflichtig.
Nachmeldung der USt-IdNr. unbeachtlich
Da die USt-IdNr. dem U erst nach Ausführung der Lieferung vom Leistungsempfänger vorgelegt worden ist, sind die Voraussetzungen für die innergemeinschaftliche Lieferung nicht erfüllt. Insoweit hat der Erwerber gegenüber dem Lieferer keine ihm aus einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwendet. Die Finanzverwaltung hat zwar in Abschn. 6a.1 Abs. 19 UStAE festgelegt, dass die nachträgliche Verwendung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung entfaltet. In diesem Fall entfaltet die Nachmeldung der zutreffenden USt-IdNr. aber keine Rückwirkung auf den Lieferzeitpunkt, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht erteilt worden war.
Kein Gültigkeitsdatum bei qualifizierter Bestätigung
Wird eine USt-IdNr. beim BZSt qualifiziert bestätigt, ist damit nur sicher, dass es sich im Moment der Abfrage um eine zutreffende USt-IdNr. handelt. Derzeit kann im Bestätigungsverfahren durch den liefernden Unternehmer nicht abgefragt werden, ab wann die USt-IdNr. gültig ist. Die Finanzverwaltung hat im Rahmen von Betriebsprüfungen dagegen die Möglichkeit, den Zeitraum der Gültigkeit abzufragen. Damit besteht bei der nachträglichen Verwendung einer USt-IdNr. durch den Leistungsempfänger für den liefernden Unternehmer immer das Risiko, dass die ihm mitgeteilte USt-IdNr. im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung (noch) nicht gültig war.
Da U eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung ausführt, muss aus dem, was er für die von ihm ausgeführte Lieferung erhält oder erhalten soll, die Umsatzsteuer herausgerechnet werden. Da die Ware nach den Angaben des Sachverhalts dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegt, ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von (30.000 EUR ./. 4.789,92 EUR =) 25.210,08 EUR und eine USt i. H. v. 4.789,92 EUR. Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG für den VAZ Januar 2022, Steuerschuldner ist der liefernde Unternehmer U.
Umsatzsteuerausweis in der Rechnung
Da U eine steuerpflichtige Lieferung an einen anderen Unternehmer ausführt, ist er verpflichtet, eine Rechnung zu erteilen. In dieser Rechnung wäre dann auch die USt gesondert auszuweisen. Soweit zwischen U und seinem Abnehmer A die 30.000 EUR als Nettopreis vereinbart worden wären, könnte U – soweit er den Sachverhalt zutreffend würdigt – auch auf die 30.000 EUR die gesetzliche Umsatzsteuer i. H. v. 5.700 EUR gesondert ausweis...