2.1 Vereinfachungen für bestimmte Abnehmer
Grundsätzlich gilt: Jeder Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 UStG ist bei einem Warenbezug aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet unter den o. g. Voraussetzungen erwerbsteuerpflichtig. Der Gesetzgeber hat den erwerbsteuerpflichtigen Abnehmerkreis unter bestimmten Bedingungen noch erweitert, indem er für diese Personen eine sog. Erwerbsschwelle eingeführt hat. Danach unterliegen der Erwerbsbesteuerung auch
- Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen,
- Kleinunternehmer, die § 19 Abs. 1 UStG anwenden,
- pauschal versteuernde Land- und Forstwirte nach § 24 Abs. 1–3 UStG,
- juristische Personen, die für ihren nichtunternehmerischen Bereich Waren beziehen,
wenn dieser Personenkreis den Gesamtbetrag der Entgelte für alle Erwerbe i. H. v. 12.500 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten hat bzw. voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr in Deutschland überschreiten wird. Die von den jeweiligen Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte beziehen sich auf den Gesamtumfang aller Warenbezüge aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet.
Zur Überprüfung des Überschreitens der Erwerbsschwelle ist auf die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres abzustellen. Wenn der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr (tatsächlich) die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR nicht überschritten hat und diese (prognostisch) im laufenden Kalenderjahr auch nicht überschreiten wird, kann die Erwerbsbesteuerung unterbleiben, selbst wenn die Erwerbsschwelle im laufenden Kalenderjahr dann tatsächlich überschritten wird.
Innergemeinschaftlicher Erwerb durch Arzt
Ein in Bremen ansässiger Arzt DE bezieht im Jahr 2019 für seine Praxis ein Laborgerät von Unternehmer NL aus den Niederlanden zum Preis von 18.000 EUR. Wegen der ausschließlich steuerfreien Umsätze ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit ist DE bisher nicht im Besitz einer USt-IdNr. und erhält die Geräte daher zzgl. der niederländischen Umsatzsteuer berechnet. Die Besteuerung eines innergemeinschaftllichen Erwerbs in Deutschland kann jedoch unterbleiben, wenn DE im Jahr 2018 nicht bereits die Erwerbsschwelle überschritten hat; dies gilt auch für weitere Erwerbe im Jahr 2019. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Erwerb des Laborgeräts von NL bereits zu Beginn des Jahres beabsichtigt und daher die Überschreitung der Erwerbsschwelle bereits absehbar war.
Jeglicher weiterer Warenbezug aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet für die Praxis des DE unterliegt im Kalenderjahr 2020, dem Folgejahr des Erwerbs, in jedem Fall der Erwerbsbesteuerung in Deutschland. DE muss folglich den Antrag auf Erteilung einer USt-IdNr. stellen, damit er einen Anspruch auf steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erhält. Die nicht vorsteuerabzugsfähige Erwerbsteuer würde ansonsten neben der ausländischen Steuer zur Doppelbelastung.
2.2 Optionsmöglichkeit zur Erwerbsbesteuerung
Der o. g. Abnehmerkreis kann auch bei Nichtüberschreiten der Erwerbsschwelle zur Erwerbsteuer optieren. Die Ausübung der Option erfolgt durch die Verwendung der erteilten USt-IdNr. Die Vorschrift des § 1a Abs. 4 UStG ist mit Wirkung zum 1.1.2011 präzisiert worden, um missbräuchliche Verwendungen der USt-IdNr. bei Unterschreitung der Erwerbsschwelle zu unterbinden. Bis zum 31.12.2010 war es rechtlich zulässig, von einer Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs abzusehen, auch wenn den o. g. Abnehmern eine USt-IdNr. erteilt wurde, diese im Geschäftsverkehr aktiv verwendet wurde und beim Warenbezug aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet die Erwerbsschwelle i. H. v. 12.500 EUR pro Kalenderjahr nicht überschritten wurde. Um die hierdurch bedingte Nichtbesteuerung der Umsätze zu unterbinden, wurde eine generelle Erwerbsteuerpflicht auch für den o. g. Abnehmerkreis bei Verwendung einer USt-IdNr. eingeführt. Die Ausübung der Option bindet den Erwerber mindestens für 2 Kalenderjahre.
Nutzung des niedrigeren Steuersatzes
Die Option zur Erwerbsteuer ist auch bei kleineren, aber regelmäßigen Warenbezügen aus EU-Mitgliedstaaten mit hohen Umsatzsteuersätzen wirtschaftlich vorteilhafter, weil die definitive Steuerbelastung bei dem o. g. Abnehmerkreis auf den häufig günstigeren deutschen Umsatzsteuersatz heruntergeschleust wird.
Mit der Beantragung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, ihrer Verwendung im Geschäftsverkehr mit den EU-Lieferanten und der Abgabe der entsprechenden Umsatzsteuer-Voranmeldung ist die Option wirksam ausgeübt worden.
2.3 Keine Ausnahmen bei neuen Fahrzeugen und verbrauchsteuerpflichtigen Waren
Der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs unterliegt, unabhängig vom Status des Abnehmers, immer der Erwerbsbesteuerung.
Auch der Bezug verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Wege der Beförderung oder Versendung durch den Lieferanten führt zwangsläufig zur Besteuerung im Bestimmungsland, weil entweder der berechtigte Abnehmer steuerfrei bezieh...