André Meißner, Dipl.-Finanzwirt (FH) Jens Keese
Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt vor, wenn ein Gegenstand im Rahmen der Lieferung an den Erwerber aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt oder aus dem anderen EU-Mitgliedstaat in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten (Zollfrei-)Gebiete gelangt.
Dabei muss der Erwerber
- ein Unternehmer sein, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder
- eine juristische Person sein, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für das Unternehmen erwirbt.
Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge muss jeder Erwerber den innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsstaat versteuern, insbesondere auch Privatpersonen. Außerdem muss es sich bei der Lieferung an den Erwerber um eine Lieferung eines Unternehmers gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens handeln. Der liefernde Unternehmer darf nach dem Recht seines Mitgliedstaats nicht als Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit sein.
Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge an den Erwerber ist unabhängig von der Eigenschaft des Lieferers und des Erwerbers die Erwerbsbesteuerung durchzuführen.
Bestimmte Unternehmer und juristische Personen, die im Weiteren als "Schwellenerwerber" bezeichnet werden, brauchen den innergemeinschaftlichen Erwerb grundsätzlich nicht zu besteuern, wenn sie die jeweils für sie geltende Erwerbsschwelle nicht überschreiten.
Als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt gilt auch das Verbringen eines Gegenstands aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat durch den Unternehmer zu seiner eigenen Verfügung. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat. Der Unternehmer gilt dabei als Erwerber. Von der Erwerbsbesteuerung ausgenommen ist die vorübergehende Verwendung im anderen EU-Mitgliedstaat zu der auch befristete Verwendungen im anderen EU-Mitgliedstaat gelten.
Der EuGH hat mit Urteil vom 6.3.2014 zur Abgrenzung zwischen dem steuerbaren innergemeinschaftlichen Verbringen und der nicht steuerbaren vorübergehenden Verwendung entschieden.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein französischer Unternehmer verbrachte Bauteile zur Bearbeitung nach Italien. Anschließend belieferte er seine Kunden im Drittland teilweise direkt von Italien aus. Diese Teile wurden nicht nach Frankreich zurückgebracht. Aus diesem Grund ging der französische Unternehmer davon aus, dass er in Italien einen innergemeinschaftlichen Erwerb aus dem Verbringen besteuern muss. Die italienische Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, es liege nach nationalen Vorschriften eine nicht steuerbare vorübergehende Verwendung und kein innergemeinschaftlicher Erwerb in Italien vor.
Der EuGH stellt in seiner Entscheidung fest, dass ein (nicht steuerbares) vorübergehendes Verbringen nur vorliegt, wenn der Gegenstand nach der Bearbeitung wieder an den Unternehmer im Ausgangsmitgliedstaat zurückgelangt.
Nach der Konsignationslagerregelung des § 6b UStG liegt bei Erfüllen der gesetzlichen Voraussetzungen seit 1.1.2020 im Falle des Verbringens von Gegenständen über die EU-Grenze in ein eigenes Konsignationslager des liefernden Unternehmers im anderen Mitgliedstaat kein innergemeinschaftlicher Erwerb aufgrund eines Verbringens mehr vor. Es erfolgt im Zeitpunkt der Lieferung an den Abnehmer (mit Entnahme aus dem Konsignationslager) vielmehr eine direkte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung und die Verpflichtung für den Käufer einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu besteuern.
Tatbestand der "Lieferung eines Unternehmers gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens" in der Praxis erkennen
Die Voraussetzung "... Lieferung eines Unternehmers gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ..." ist in der Praxis daran zu erkennen, dass der liefernde Unternehmer seine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in der Rechnung als solche bezeichnet und in der Rechnung seine USt-IdNr. angibt. Die Lieferung darf im Ausgangsstaat nicht als Lieferung eines Kleinunternehmers beurteilt werden.