2.1 Wann der Geschäftsführer den Antrag stellen muss
Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bzw. der Kenntnis davon muss der GmbH-Geschäftsführer "ohne schuldhaftes Zögern", spätestens jedoch innerhalb von 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und 6 Wochen (8 Wochen in der Zeit vom 9.11.2022 bis 31.12.2023) nach Eintritt der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen, muss es aber nicht.
"Unwissenheit schützt vor Strafe nicht." Daher: Einschaltung eines Beraters bei Unsicherheit
Ist der Geschäftsführer aufgrund fehlender Kenntnisse nicht in der Lage, sicher zu entscheiden, ob er Insolvenzantrag stellen muss oder nicht, sollte er sich bei den ersten Anzeichen einer Krise einen fachlich qualifizierten Berater ins Boot holen. Bei ihm muss er aktiv auf möglichst schnelle Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken.
Doch auch der Einschätzung des Sachverständigen darf nicht blind gefolgt werden. Der Geschäftsführer muss sie erst auf Plausibilität prüfen, bevor er dem Rat Folge leistet.
Kommt der GmbH-Geschäftsführer der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags nicht nach, drohen ihm v.a. folgende Konsequenzen:
- Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder einer Geldstrafe belegt ist (§ 15a Abs. 4 InsO);Erstattung bzw. Ersatz des entstandenen Schadens gegenüber Gesellschaftern und Liquidatoren, entweder für nach Insolvenzreife unzulässig geleistete Zahlungen oder wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht (§ 15b Abs. 4 InsO; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO);
- persönliche Haftung für Steuerschulden der Gesellschaft bei Nichtabführung (§§ 34, 69 AO), wobei nun auf die Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen abgestellt wird, nicht mehr auf den Fälligkeitszeitpunkt der nachveranlagten pauschalen Lohnsteuer;
- Haftung wegen Verletzung der Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 1 StGB);
- Haftung gegenüber der GmbH aufgrund der allgemeinen Treue- und Sorgfaltspflichten (§ 43 Abs. 2 GmbHG).
Abb. 1: Voraussetzungen für den Insolvenzantrag
2.1.1 Zahlungsunfähigkeit
Eine Gesellschaft ist zahlungsunfähig, wenn sie voraussichtlich dauernd und nicht nur vorübergehend außer Stande ist, ihre fälligen Forderungen zu begleichen, also praktisch ihre Zahlungen eingestellt hat. Diese Definition hat der BGH in ständiger Rechtsprechung mit Leben gefüllt und bestimmt, dass von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, wenn eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht und nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
Für die Praxis bedeutet das: Der Geschäftsführer muss sofort handeln, wenn die Gesellschaft auch nur eine fällige Rechnung de facto nicht zahlen kann. Dann muss sich der Geschäftsführer unverzüglich mit Gläubigern, die nicht bedient werden können, in Verbindung setzen und mit ihnen über eine Stundung oder neue Zahlungsmodalitäten verhandeln. Ist absehbar, dass kein Zahlungsaufschub erreicht werden kann, muss der Geschäftsführer darauf eingestellt sein, dass die 3-Wochen-Frist, innerhalb der der Insolvenzantrag gestellt werden muss, mit Zahlungsverzug beginnt und der Geschäftsführer entsprechende Haftungsrisiken eingeht. Unabhängig davon kann der Gläubiger sofort Insolvenzantrag stellen.
Eine vorübergehende Liquiditätslücke, die kurzfristig durch einen Mittelzufluss behoben werden kann, bedeutet noch keine Zahlungsunfähigkeit. Mögliche Anzeichen für echte Zahlungsunfähigkeit:
- Es kommt immer wieder zu Zahlungsstockungen,
- diese halten mindestens zwei Wochen an und
selbst Lohn-, Steuer- oder Sozialabgabenforderungen können nicht beglichen werden.
"Geld stinkt nicht" – das gilt auch in der Insolvenz bei Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit
Bei der Frage der Zahlungs(un)fähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinn wird nicht geprüft, woher sich die Gesellschaft die Gelder verschafft hat. Insolvenzrechtlich sind sogar aus Straftaten herrührende illegale Einkünfte als liquide Mittel anzusehen.
Die Zahlungsunfähigkeit kann durch Aufstellung einer Liquiditätsbilanz, aber auch mit anderen Mitteln dargelegt werden. So genügt z.B. der Nachweis durch 4taggenaue Liquiditätsstatus-Belege im Wochenabstand, bei denen an keinem Tag des Prognosezeitraums die Liquiditätslücke geschlossen war.
2.1.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit
Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann, muss aber nicht, Insol...