Leitsatz
Die sog. Doppelrechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt auch bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.
Sachverhalt
Die Klägerin war eine GmbH. Am 10.5.2012 stellte sie einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Das Amtsgericht bestellte am 16.5.2012 einen vorläufigen Sachwalter und auch einen vorläufigen Gläubigerausschuss. Am 18.5.2012 eröffnete der vorläufige Sachwalter ein Anderkonto, über das nur er verfügungsberechtigt war. Die Gläubiger der Klägerin wurden darüber informiert, dass Zahlungen auf dieses Konto schuldbefreiende Wirkung haben. Mit Beschluss vom 1.8.2012 wurde das Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung eröffnet und der Sachwalter bestellt. Am 24.1.2013 wurde der Insolvenzplan bestätigt und das Insolvenzverfahren am 12.2.2013 aufgehoben. Die Umsatzsteuervoranmeldungen für den August 2012 gab die Klägerin im Oktober 2012 ab. Im Januar 2013 fand eine Umsatzsteuersonderprüfung statt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Klägerin Umsätze in Höhe von rund 126.000 EUR nicht in der Umsatzsteuervoranmeldung vom August berücksichtigt hatte, da sie der Ansicht war, dass es sich um Insolvenzforderungen gehandelt habe. Der Prüfer vertrat demgegenüber die Auffassung, dass bei Leistungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht worden seien und bei denen das Entgelt zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmt worden sei, eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu erfolgen habe. Werde dann das Entgelt später vereinnahmt, sei der Umsatzsteuerbetrag im Zeitpunkt der Vereinnahmung erneut zu berichtigen. Diese Steuer begründe dann eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Gegen den geänderten Bescheid über Umsatzsteuer vom August legte die Klägerin Einspruch ein und erhob anschließend Klage.
Entscheidung
Die Klägerin hatte mit ihrer Klage keinen Erfolg. Das Finanzamt habe, so das Finanzgericht, zutreffend die Umsätze als Masseverbindlichkeiten im August 2012 berücksichtigt. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Grundsätze, die der Bundesfinanzhof für die Berücksichtigung von Umsatzsteuer in einem normalen Insolvenzverfahren aufgestellt hat, auch für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung Anwendung finden. Werde demnach eine Entgeltforderung für vor der Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen uneinbringlich, sei eine Korrektur nach § 17 Abs. 1 UStG vorzunehmen. Diese Berichtigung sei dann im Zeitpunkt der Vereinnahmung erneut zu korrigieren. Liege dieser nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, liege eine Masseverbindlichkeit vor. Diese Grundsätze seien auch im Fall des Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung anzuwenden. Zwar sei in diesem Sonderfall des Insolvenzverfahrens kein Insolvenzverwalter bestellt. Die maßgebliche Regelung des § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO sei aber dahingehend zu verstehen, dass der Schuldner, hier die Klägerin, nicht mehr die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behalte, sondern ihm diese erst wieder durch den Anordnungsbeschluss der Eigenverwaltung eingeräumt werde.
Hinweis
Fragestellungen aus dem Schnittbereich von Insolvenz- und Steuerrecht sind oftmals nicht einfach zu verstehen. So auch hier. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass eine Forderung des Insolvenzschuldners uneinbringlich wird, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens besondere Umstände beinhaltet, die in der Person des Schuldners liegen. Regelmäßig ist der Fall "anders herum". Eine Forderung des Gläubigers wird durch die Insolvenzeröffnung uneinbringlich. Im Klagefall war es aber so, dass die Forderung des Schuldners uneinbringlich wurde. Später wurde sie gleichwohl bezahlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Entgeltforderung sodann in dem Zeitpunkt erneut zu berichtigen, in dem sie bezahlt wird. Da dies nach der Insolvenzeröffnung war, handelte es sich um eine sog. Masseverbindlichkeit. Diese Rechtslage ist für den Fall eines normalen Insolvenzverfahrens als geklärt anzusehen. Fraglich war indes, ob dies auch für den Fall der Eigenverwaltung gilt, da dann der Schuldner eigner Person weiter Forderungen einziehen kann. Das Finanzgericht kam allerdings - wohl zutreffend - zu der Auffassung, dass man gleichwohl die Eigensphäre des Schuldners und die Sphäre, die unter das Insolvenzverfahren, wenngleich in Eigenverwaltung fällt, zu trennen habe.
Ob der Bundesfinanzhof diese Rechtsauffassung bestätigt, bleibt abzuwarten, denn aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat das Finanzgericht die Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.06.2016, 9 K 2564/14