Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Der Insolvenzverwalter betreibt sein eigenes, von der Insolvenzmasse getrenntes (Insolvenzverwalter-) Unternehmen und ist daher berechtigt, Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Diese gehört zu der für die Insolvenzmasse abziehbaren Vorsteuer.
Sachverhalt
Der Kläger wurde mit Beschluss aus 2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen eines ehemaligen Einzelunternehmens (Malergeschäft) bestellt. In seinem Insolvenzgutachten stellte er fest, dass der bereits zum 1.11.2002 eingestellte Malerbetrieb nicht fortgeführt werden konnte. Als verwertbares Vermögen war nur ein bebautes Privatgrundstück vorhanden. Am 4.12.2007 reichte der Insolvenzverwalter für den Nachlass des Schuldners eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 ein, in der er die Vorsteuern (rund 5.000 EUR) aus der an ihn gezahlten Insolvenzverwaltervergütung nebst Auslagen zugunsten der Insolvenzmasse geltend machte. Das Finanzamt lehnte die Vorsteuererstattung ab, da der Insolvenzschuldner seinen Betrieb bereits zum 1.11.2002 aufgegeben habe und daher im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr Unternehmer gewesen sei. Außerdem habe der Kläger nur für den nichtunternehmerischen Bereich des Insolvenzschuldners gehandelt, denn das verwertete Grundstück habe sich in dessen Privatvermögen befunden.
Entscheidung
Die Klage des Insolvenzverwalters hatte Erfolg. Das Finanzamt wurde verpflichtet, einen Umsatzsteuerbescheid für 2007 zu erlassen und darin die Umsatzsteuer auf - 5.000 EUR (Vorsteuer) festzusetzen. Die Insolvenzeröffnung hat auf die Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners grundsätzlich keinen Einfluss. Der Insolvenzschuldner bleibt daher zum Vorsteuerabzug berechtigt und kann die ihm offen in Rechnung gestellte Vorsteuer grundsätzlich geltend machen. Der Insolvenzverwalter übt mit seiner Geschäftsführung eine sonstige Leistung zu Gunsten der Masse aus und erbringt damit eine Tätigkeit für das Unternehmen des Schuldners. Für seine Geschäftsführung hat er Anspruch auf eine aus der Masse zu entrichtende Vergütung, so dass er seine Leistung auch gegen Entgelt erbringt. Mithin ist er berechtigt, für seine Leistung Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Die Umsatzsteuer auf die Tätigkeitsvergütung des Insolvenzverwalters gehört zu der für die Insolvenzmasse abziehbaren Vorsteuer.
Hinweis
Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens konnte offenbar glaubhaft gemacht werden, dass auch nach der Betriebseinstellung noch Reparaturen und Nachbesserungsarbeiten ausgeführt und das Unternehmen unter Berücksichtigung der bestehenden Verbindlichkeiten abgewickelt wurde. Dafür sprach bereits ein bis 2005 noch vorhandenes Materiallager. Die fortdauernde Unternehmerstellung des Schuldners wurde durch die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens (vgl. § 304 InsO) nicht beendet. Das vom Finanzamt u. a. vorgetragene Argument, der Insolvenzverwalter habe im Wesentlichen lediglich ein privates Grundstück umsatzsteuerfrei veräußert und damit keine steuerpflichtigen Umsätze für das Unternehmen des Schuldners erzielt, überzeugte das Finanzgericht zu Recht nicht. Der Verwalter hat nämlich entsprechend seines gesetzlichen Auftrags im Rahmen der Unternehmensabwicklung das Vermögen des Schuldners verwertet und den erzielten Erlös verteilt. Angesichts der Tatsache, dass der Schuldner mit seinem gesamten - nicht nur dem betrieblichen - Vermögen haftet und der Erlös der Begleichung betrieblicher Verbindlichkeiten diente, ist die Annahme des Finanzamts, der Insolvenzverwalter sei nur für den nichtunternehmerischen Bereich tätig geworden, kaum nachvollziehbar. Genauso wenig dürfte es für den Vorsteuerabzug aus der Insolvenzverwaltervergütung darauf ankommen, ob der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwertung des Schuldnervermögens umsatzsteuerfreie oder umsatzsteuerpflichtige Geschäfte vornimmt. Seine Vergütung erhält er nämlich für die gesamte Durchführung des Insolvenzverfahrens. Überdies ist der Verkauf eines privaten Grundstücks ohnehin nicht umsatzsteuerfrei, sondern vielmehr generell überhaupt nicht umsatzsteuerbar.
Für die Praxis ist des Weiteren zu beachten, dass nach zwischenzeitlich divergierenden Auffassungen seitens der Finanzbehörden das BMF mit Schreiben vom 28.7.2009 (BStBl 2009 I S. 864) klar gestellt hat, dass die von einem für eine Rechtsanwaltskanzlei als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt ausgeführten Umsätze der Kanzlei zuzurechnen sind. Dies gilt sowohl für einen angestellten, als auch für einen an der Kanzlei als Gesellschafter beteiligten Anwalt. Für vor dem 1.1.2010 ausgeführte Leistungen wird es, auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers, nicht beanstandet, wenn der für die Kanzlei tätige Rechtsanwalt seine Tätigkeiten als Insolvenzverwalter im eigenen Namen abrechnet bzw. abgerechnet hat.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Urteil vom 11.05.2010, 2 K 1513/2008