Früherkennungssysteme sind Informationssysteme, die anhand von Indikatoren, Kennzahlen oder qualitativen Informationen über die Unternehmens- und Umweltentwicklung Risiken frühzeitig identifizieren sollen. Es gibt unterschiedliche Arten von Früherkennungssystemen. Nach ihrem Umfang werden Frühwarn-, Früherkennungs- und Frühaufklärungssysteme unterschieden: Frühwarnsysteme befassen sich mit der frühzeitigen Identifikation von Risiken i. e. S., durch Früherkennungssysteme i. e. S. sollen auch Chancen identifiziert werden und im Rahmen von Frühaufklärungssystemen werden außerdem Maßnahmen zur Chancennutzung bzw. Risikobewältigung abgeleitet. Die Früherkennung ist somit sowohl Oberbegriff für alle drei Ansätze (Früherkennungssystem i. w. S.) als auch Bezeichnung für einen speziellen Systemtyp (Früherkennungssystem i. e. S.).
Abb. 4: Arten der Früherkennung i. w. S.
Frühwarnsysteme
Frühwarnsysteme basieren auf Kennzahlen des externen Rechnungswesens, die mithilfe von Prognoseverfahren auf das Jahresende hochgerechnet werden. Durch Soll-Ist-Abweichungsanalysen von liquiditäts- und ertragsorientierten Kennzahlen sollen kurzfristige finanzielle Risiken identifiziert werden. Durch eine Über- bzw. Unterschreitung zuvor festgelegter Toleranz- oder Schwellenwerte werden Warnmeldungen ausgelöst. Problematisch ist, dass Frühwarnsysteme häufig einen ungenügenden zeitlichen Vorlauf haben und auch nicht Ursachenanalysen für die identifizierten finanziellen Risiken unterstützen.
Früherkennungssysteme
Früherkennungssysteme i. e. S. beziehen unternehmensexterne Bereiche durch die Überwachung von Frühwarnindikatoren (lead indicators) in die Risikoidentifikation ein. Beispielsweise kündigen sich zukünftige Umsatzeinbußen eines Anlagenherstellers bereits in einem Rückgang der Auftragseingänge an. Früherkennungssysteme i. e. S. haben einen mittelfristigen Prognosehorizont. Das Problem liegt in der Zusammenstellung eines umfassenden, eindeutigen, rechtzeitig verfügbaren und effizienten Indikatorenkatalogs.
Abb. 5: Beispiele für externe Frühwarnindikatoren
Frühaufklärungssysteme
Frühaufklärungssysteme sollen eine rechtzeitige Ortung und Signalisierung potenzieller Bedrohungen, Risiken und Chancen und die Ableitung entsprechender Strategien und Maßnahmen zur Risikobewältigung und Chancennutzung ermöglichen. Methodisch basieren sie auf dem Konzept der schwachen Signale von Ansoff sowie der Diffusionstheorie. Nach Ansoff ereignen sich exogene Strukturbrüche nicht plötzlich und überraschend, sondern kündigen sich durch sog. schwache Signale an. Schwache Signale sind relativ unstrukturierte und qualitative Informationen, z. B. das Auftreten neuer Bedürfnisse, die Ablehnung traditioneller Gewohnheiten, die Veränderung von Grundeinstellungen oder auch radikale technologische Innovationen. Mögliche Quellen für schwache Signale sind das Internet, Social Media Communities und Diskussions- bzw. Expertenforen, Publikationen in Fachzeitschriften, Rechtsprechungstendenzen, Ankündigungen zu Änderungen in der Gesetzgebung, Patente, Tagungs- und Konferenzbeiträge etc. Schwache Signale sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen zunächst nicht eindeutig, verdichten sich jedoch im Zeitablauf. Je früher die Relevanz schwacher Signale erkannt wird, desto mehr Handlungsmöglichkeiten hat ein Unternehmen.
Abb. 6: Zusammenhang zwischen der kumulierten Häufigkeit schwacher Signale und der Zahl der Handlungsmöglichkeiten
Schwache Signale werden durch ein sog. 360°-Radar identifiziert. Ziele sind das Erkennen von Strukturbrüchen in der Umweltentwicklung (Diskontinuitäten) und die Abschätzung ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen. Scanning bezeichnet dabei den Prozess des ungerichteten Abtastens der Unternehmensumwelt nach schwachen Signalen. Verdichten sich schwache Signale zu einem Trend, müssen diese durch ein Monitoring laufend überwacht werden.
Annahmenanalysen zur Identifikation von Erfolgsrisiken
Ein retrograder Ansatz zur ganzheitlichen Risikoidentifikation ist die Analyse der Annahmen der operativen Planung und Budgetierung. Die geplante Gewinnentwicklung eines Unternehmens ist das Ergebnis eines auf zahlreichen Annahmen beruhenden Planungs- und Budgetierungsprozesses. Allerdings sind die Planannahmen vielfach unsicher und bergen somit Risiken für das Unternehmen, da hier Abweichungen von der geplanten Gewinnentwicklung auftreten können. So hängt z. B. die zukünftige Umsatzentwicklung stark von der prognostizierten Marktentwicklung und dem Verhalten der Wettbewerber in Bezug auf die Absatzpreis- und Absatzmengenfestlegung ab. Durch systematische Variation der Planungsannahmen und einer detaillierten Abweichungsanalyse lassen sich somit die maßgeblichen Risikofaktoren in Bezug auf die zukünftige Gewinnentwicklung identifizieren und ggf. überwachen. Eine derartige Risikoidentifikation kann dann im Rahmen der quantitativen Risikoanalyse zur Risikobewertung genutzt werden, in dem die Abweichungen monetär bewertet und ihre Eintrit...