Die institutionalisierte Steuerung von Unternehmen ist ein Kind der Industrialisierung. Ihre mechanistischen Grundzüge und Regeln bildeten sich in der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert heraus und sind vor allem mit dem Wirken von Frederick Winslow Taylor verbunden. Es sind Regeln, die uns noch heute sehr vertraut vorkommen:
- die Trennung von Planung (Vorgabe) und Ausführung,
- die Forderung nach Berechenbarkeit aller externen und internen Prozesse,
- die Reduzierung menschlicher Tätigkeit auf zentral gesteuerte Funktionen,
- die Annahme des "einen besten Weges" zur Bewältigung der anstehenden Arbeiten,
- die Festlegung einer festen Abfolge von Arbeitsschritten und Funktionen und
- die postulierte Notwendigkeit, Menschen zu "motivieren", weil sie nur für Geld arbeiten.
Das schon von Max Weber Anfang des 20. Jahrhunderts beschriebene zweckrationale Modell einer Organisation prägt bis heute unser Verständnis von ihr. Auch das zweite, unter anderem von Niklas Luhmann in den 1950er Jahren postulierte Verständnis der Organisation als soziales System gilt bis heute uneingeschränkt als Paradigma für die Steuerung von Unternehmen.
Das Industriezeitalter dieser klassischen Prägung gibt es nicht mehr. Und so beginnen auch die klassischen Steuerungsgrundsätze für Unternehmen, Geschichte zu werden. Mit der Computerisierung und der Entstehung des World Wide Web hat ein neues Zeitalter der Digitalisierung und Vernetzung begonnen, deren Auswirkungen wir heute erst in Umrissen erahnen können und dennoch bereits massiv erleben.
Der technische Kern liegt dabei in der immer weiter fortschreitenden Automatisierung menschlicher Tätigkeiten in Kombination mit informativer Vernetzung. Während in den Anfangsjahren vor allem maschinelle Prozesse betroffen waren, geraten in zunehmendem Maße auch alle anderen Tätigkeitsbereiche in den Fokus – sofern sie mit sich wiederholenden Abläufen oder dem Erkennen wiederkehrender Muster zu tun haben. Nach einer Zukunftsstudie des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) in Hamburg können wir vor allem im Kontext der Nutzung von Formen künstlicher Intelligenz bereits heute eine Reihe von Veränderungen erkennen, die sich in den nächsten 5 Jahren in der Praxis durchsetzen werden:
- Übernahme von Bürotätigkeiten;
- automatische Kundenberatung;
- Vorhersage von Kundenverhalten oder von Kundennachfrage;
- Warnung vor bevorstehenden Ausfällen von Maschinen;
- Erkennen von Sprache und das Führen einfacher Gespräche;
- Analyse komplexer Daten, z. B. das Erkennen von Krebstumoren auf Röntgenaufnahmen;
- autonomes Fahren insbesondere in der innerbetrieblichen Logistik;
- Gesichtserkennung;
- Übernahme von menschlicher Arbeit in der Pflege, z. B. Umbetten von Patienten.
In diesem Kontext werden letztlich alle mit Routineverfahren verbundenen Funktionen eines Unternehmens zu potenziellen Automatisierungszielen. Dass die Unternehmenssteuerung davon nicht unberührt bleiben wird, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.
Der soziale Kern läuft auf einen gravierenden Paradigmenwechsel hinaus, der sich in den letzten 20 Jahren bereits angedeutet hat:
Die industrielle Steuerung war mechanistisch geprägt. Die Menschen wurden als Funktionselemente innerhalb zu steuernder Funktionseinheiten des Unternehmens betrachtet und es galt vor allem, die richtigen "Stellschrauben" zu finden. Das änderte sich auch nicht grundsätzlich, als die Unternehmenssteuerung begann, funktionsübergreifende Prozesse zu organisieren. Denn sie wurden als technische Prozesse gestaltet, die den konstruktiven Basic-Design-Regeln von industriellen Anlagen folgten. Die Menschen waren in diese Konstruktionen eingebunden und hatten den Prozessen zu folgen. Sie blieben Funktionselemente und das Denken in "Stellschrauben" war weiterhin die beherrschende Idee der Unternehmenssteuerung. Der vor mehr als einhundert Jahren entwickelte ROI-Baum mit seinen linear auf eine Spitzenkennzahl ausgerichteten Werttreibern ist nach wie vor das typische Bild dieser Steuerungsphilosophie.
Das kollidiert zunehmend mit den Führungsaufgaben zur Organisation menschlicher Zusammenarbeit. Die Prinzipien technischer Konstruktion und menschlicher Kooperation unterscheiden sich grundsätzlich. Führung von Menschen und Steuerung von (technischen) Vorgängen waren einmal eng beieinander, zunehmend erfolgt Führung kollaborativ, auf Augenhöhe, empathisch und in diversifizierten Teams, was zu anderen (agilen) Methoden der Wertschöpfung führt und neue Arbeitsmodelle hervorbringt (New Work). Die sachliche Steuerung technischer und anderer formaler Prozesse mit ihren "Stellschrauben" bleibt dagegen deterministisch. Dadurch beginnen Unternehmensführung und Unternehmenssteuerung sich zu entkoppeln. Diese Entkopplung wird durch die Tendenz zur Automatisierung und informativen Vernetzung aller Prozesse gravierend verstärkt. Das aber führt zu der Gefahr, dass die klassische Unternehmenssteuerung ihren Einfluss auf das Verhalten jener Menschen weitgehend verliert, die mit den (automatisierten) ...