Infolge der zunehmenden Internationalisierung und weltweiten Arbeitsteilung ist festzustellen, dass Deutschland nicht nur der "Exportweltmeister" ist, sondern auch bereits kleinere und mittelständische Unternehmen mittels Direktinvestitionen (in ausländische Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten) im Ausland tätig werden. Hierfür gibt es unterschiedliche Gründe. Zu nennen sind beispielsweise Standortvorteile, die Nähe zu Absatzmärkten, Rohstoffen oder Arbeitskräften, der Zwang eines Endkunden (just in time Lieferung) sowie Steuervorteile bzw. -anreize. Dies führt zwangsläufig dazu, dass betriebliche Einheiten und Aufgaben, die bislang in Deutschland ansässig waren bzw. hier getätigt wurden, auf ausländische Töchter oder Betriebsstätten übertragen werden oder parallele Strukturen aufgebaut werden.
In diesem Rahmen gehen zwangsläufig stille Reserven oder zumindest Geschäftschancen auf ausländische Einheiten über.
Der Gesetzgeber hat darauf reagiert. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen ist ein wesentlicher Teil der sog. Gegenfinanzierung der Steuerentlastungen (Absenkung der tariflichen Unternehmensbesteuerung) durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008. Es handelt sich insoweit um ein Sonderthema der Verrechnungspreisfestlegung und -prüfung.
Durch die Anpassungen der Regelungen zum Fremdvergleichsgrundsatz in § 1 AStG an die aktuellen OECD-Verrechnungspreisleitlinien im Rahmen des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) wurden die Bestimmungen zu Funktionsverlagerungen zum 1.1.2022 modifiziert und in den neuen § 1 Abs. 3b AStG überführt. Diese Änderungen machten auch eine Anpassung der Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) v. 18.10.2022 (BGBl I 2022 S. 1803) erforderlich. In der Begründung der FVerlV 22 wird explizit dargestellt, dass die Regelungen im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien stehen. Die Definition einer FVerl weicht jedoch inhaltlich von der der Verlagerung eines "ongoing concern" in Tz. 9.68 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien ab, die darin als funktionierende, wirtschaftlich integrierte Geschäftseinheit definiert werden.
Der Beitrag soll sowohl die Beurteilung der Finanzverwaltung als auch der Wirtschaft/der beratenden Berufe darstellen und angesichts vielfältiger Widersprüche Hinweise für die Praxis geben.