Zur Vermeidung o. g. Steuerausfälle soll § 50i Abs. 1 EStG die Besteuerung stiller Reserven der in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 EStG (also sowohl gewerblich infizierte als auch gewerblich geprägte Gesellschaften) eingebrachten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile i. S. des § 17 EStG auch bei nach dem Wegzug erfolgter Veräußerung oder Entnahme sicherstellen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung unterblieben ist. Dies, auch wenn der Veräußerer später im Sinne eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im anderen Vertragsstaat ansässig ist und Deutschland nach dem eigentlich anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen kein Besteuerungsrecht zustehen würde.§ 50i EStG überschreibt damit praktisch die abkommensrechtliche Beurteilung infolge der zwischenzeitlichen BFH-Rechtsprechung. Dies gilt auch für die laufenden Einkünfte der Personengesellschaft.
Haupttatbestandsmerkmal ist, dass in der Vergangenheit, d. h. vor dem 29.6.2013, in den Anwendungsfällen (insbesondere Wegzugsfällen) die Besteuerung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt, zu dem nach der neuen BFH-Rechtsprechung eine Steuerentstrickung hätte eigentlich erfolgen müssen, im Hinblick auf die frühere Auffassung der Verwaltung unterblieben ist.
§ 50i Abs. 1 EStG soll für sog. Altfälle sicherstellen, dass Wirtschaftsgüter oder Anteile, die zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 EStG gehören, im Zeitpunkt ihrer Veräußerung oder Entnahme durch den in einem DBA-Staat ansässigen Steuerpflichtigen trotz entgegenstehender DBA-Vorschriften besteuert werden können. Das gilt entsprechend für die laufenden Einkünfte sowie für Fälle der Betriebsaufspaltung.
Zusammenfassung der Voraussetzungen
Die Anwendung des § 50i EStG erfordert nach dem Gesetzeswortlaut, dass
- vor dem 29.6.2013
- Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile i. S. von § 17 EStG
- in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt wurden,
- die Besteuerung der stillen Reserven der überführten/übertragenen Wirtschaftsgüter oder Anteile bei Einbringung nicht erfolgte,
- der einbringende Steuerpflichtige in einem anderen DBA-Staat ansässig ist.
Die nachfolgende Veräußerung soll dann noch der inländischen Steuerpflicht unterliegen, obwohl der BFH dieses Betriebsvermögen nicht als ausreichend für die Begründung eines deutschen Besteuerungsanspruchs ansehen würde.
§ 50i Abs. 2 EStG soll eigentlich verhindern, dass die Rechtsfolgen des § 50i Abs. 1 EStG umgangen werden können, indem die vor dem 29.6.2013 übertragenen Wirtschaftsgüter oder Anteile
- Gegenstand von Umwandlungen und Einbringungen i. S. d. § 1 UmwStG sind,
- Gegenstand von Überführungen oder Übertragungen i. S. d. § 6 Abs. 3 oder Abs. 5 EStG sind,
- oder in Bezug auf die Wirtschaftsgüter oder Anteile eine Nutzungsänderung stattfindet (Strukturwandel).
Der Wortlaut der Norm (Fassung 1.1.2014) ist aber sehr weit gefasst:
Zeitliche und sachliche Anwendung
Nach § 52 Abs. 59d EStG ist § 50i EStG auf die Veräußerung von Wirtschaftsgütern oder Anteilen oder ihrer Entnahme anzuwenden, die nach dem 29.6.2013 stattfinden. Hinsichtlich der laufenden Einkünfte ist die Vorschrift in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist.
Der sachliche Anwendungsbereich des in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen sog. Treaty Overrides ist bereits systematisch auf Steuerausländer begrenzt, da nur für diese eine Besteuerung "ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen des Abkommens zur Doppelbesteuerung" in Betracht kommt. Zudem hat der Gesetzgeber die Rechtsfolge des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG explizit auf DBA-Ausländer beschränkt.
Der Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG ist hingegen nach seinem Gesetzeswortlaut nicht in gleicher Weise beschränkt. § 50i Abs. 2 Satz 1 EStG bezieht sich schlicht auf Umwandlungen und Einbringungen von "Sachgesamtheiten, die Wirtschaftsgüter und Anteile im Sinne des Absatzes 1 enthalten". Die Regelung ist daher bei wörtlicher Auslegung auch für reine Inlandsfälle anwendbar. Abhilfe bringt aber hier das "Billigkeitsschreiben" der Finanzverwaltung vom 21.12.2015.