3.1 Allgemeine Grundsätze

Die DBA enthalten nicht wie z. B. § 15 EStG eine Definition der Unternehmensgewinne z. B. i. S. der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Damit sind die sich aus Art. 3 OECD-MA ergebenden Auslegungsgrundsätze maßgebend. Hiernach ist bei einer fehlenden Begriffsbestimmung im DBA vorrangig eine Auslegung aus dem Abkommenszusammenhang vorzunehmen. Anschließend ist auf das nationale Recht des jeweiligen Anwenderstaats zurückzugreifen. Da keine eigenständige Definition besteht, ist damit regelmäßig der Begriff des jeweiligen Anwendungsstaats, für Deutschland somit § 15 EStG, maßgebend. Dies kann ggf. so zu sog. Qualifikationskonflikten und damit zur Doppelbesteuerung oder zur doppelten Steuerfreistellung führen. Die Vermeidung oder zumindest Milderung der eintretenden Doppelbesteuerung kann in diesem Fall nur im Rahmen eines Verständigungsverfahrens (Art. 25 OECD-MA) erfolgen. In der Praxis wird i. d. R. die Qualifikation des Quellenstaats übernommen. Ob grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze der Abgrenzung zwischen Gewerblichkeit und Vermögensverwaltung auch grundsätzlich maßgebend sind, wird der BFH demnächst in verschiedenen Fällen des Goldhandels (sog. "Goldfingermodelle") entscheiden müssen. Das FG Münster hat dies z. B. bejaht.[1] Auch das FG München hat entscheiden, dass die für die Einstufung eines Wertpapierhandels als Gewerbebetrieb oder Vermögensverwaltung entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze auf den Handel mit Gold über eine Handelsplattform entsprechend anwendbar sind.[2]

Der BFH hat in beiden Fällen entschieden, dass der Begriff der "gewerblichen Gewinne"/"Unternehmensgewinne" im DBA nicht definiert ist. Nach Art. II Abs. 3 DBA Großbritannien 1964/1970 (= Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) wird bei der Anwendung der Vorschriften des Abkommens durch eine der Vertragsparteien – hier Deutschland – jeder Ausdruck, der nicht in dem Abkommen bestimmt worden ist, die Auslegung erfahren, die sich aus den Gesetzen ergibt, die in dem Gebiet dieser Vertragspartei in Kraft sind und sich auf Steuern im Sinne des Abkommens beziehen, falls sich aus dem Zusammenhang keine andere Auslegung ergibt. "Gewerbliche Gewinne" sind nach den Entscheidungen des BFH jedenfalls solche, die aus einer originär gewerblichen Tätigkeit der ausländischen Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 2 EStG stammen.

[3] Damit ist im Zweifel bei einer originären gewerblichen Tätigkeit das nationale Recht zur Abgrenzung maßgebend.

3.2 Probleme aus den Gewerblichkeitsfiktionen des nationalen Steuerrechts

Während bei einer originären gewerblichen Tätigkeit z. B. eines Produktionsbetriebs kein Konflikt mit dem ausländischen Staat hinsichtlich der Anwendung des Artikels bestehen dürfte, sind diese Probleme bei den Gewerblichkeitsfiktionen des nationalen Rechts absehbar. Nach der Rechtsprechung[1] und Verwaltungsauffassung[2] kann die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung einer gewerblich geprägten oder infizierten Gesellschaft bzw. eines Besitzunternehmens bei einer Betriebsaufspaltung nicht unreflektiert auf das Abkommensrecht übertragen werden. Vielmehr ist hier immer zunächst zu fragen, ob die Art der Einkunftserzielung einer eigengewerblichen Tätigkeit entspricht.

3.2.1 Probleme bei Personengesellschaften

Soweit die Gewerblichkeitsfiktionen Personengesellschaftsstrukturen (gewerblich geprägte Personengesellschaft, gewerblich infizierte Personengesellschaft, atypisch stille Gesellschaft, Sondervergütungen) betreffen, sind die Problemfelder im gesonderten Beitrag "Grenzüberschreitende Beteiligung an Personengesellschaften – Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen dargestellt.

3.2.2 Betriebsverpachtung über die Grenze

Die bloße Vermietung eines Gebäudes, auch wenn es sich um eine Fabrikanlage handelt, wird nach Art. 6 OECD-MA behandelt, d. h., es gilt i. d. R. das Belegenheitsprinzip.

Handelt es sich nach innerstaatlichem Recht um gewerbliche Einkünfte, z. B. infolge der Anwendung des Verpachtungserlasses, handelt es sich DBA-rechtlich nicht um einen Gewerbebetrieb. Es prüft die Finanzverwaltung, ob Deutschland das Besteuerungsrecht verloren geht (Entstrickung, vgl. Tz. 6). Da Deutschland für das Fabrikgrundstück regelmäßig weiterhin – zwar nicht wegen der abkommensrechtlichen Behandlung als Unternehmensvermögen, sondern wegen des Belegenheitsprinzips – das Besteuerungsrecht behält, sind ggf. nur mitverpachtete bewegliche Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Schlussbesteuerung zu erfassen.

 
Praxis-Beispiel

Betriebsverpachtung

A war bislang im Inland ansässig. Er hatte in der Vergangenheit in eigenen Räumen ein Schuheinzelhandelsge...

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