4.4.2.1 Verhältnis des Art. 5 Abs. 3 zu Abs. 1 OECD-MA

Die Frage, ob Bauausführungen und Montagen unter den allgemeinen Begriff der Betriebsstätte (feste Geschäftseinrichtung) fallen, ist umstritten. Nach Tz. 16 des amtlichen OECD-MA-MK zu Art. 5 sind kurzfristige Bauausführungen und Montagen für sich keine Betriebsstätten, auch wenn zu ihnen feste Geschäftseinrichtungen gehören, wie z. B. ein ganzjährig nutzbarer Baucontainer, der von der Bauleitung genutzt wird.

Wird allerdings in einer solchen festen Geschäftseinrichtung wie einem Containerbüro eine Tätigkeit ausgeübt, die nicht nur von lediglich unterstützender oder vorbereitender Art ist (z. B. Leitung von mehreren kurzfristigen Bauausführungen und Montagen) und zugleich die Frist des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA überschritten, so geht die Finanzverwaltung entsprechend des MAK[1] von einer Betriebsstätte i. S. d. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA aus.[2] Die Ergebnisse sämtlicher wirtschaftlich von einer derartigen Geschäftsstelle geleiteten Baustellen sind in das Betriebsstättenergebnis einzubeziehen.

 
Praxis-Beispiel

Containerbüro

Die inländische Brückenbau-Maier-GmbH hat in Frankreich Aufträge über die Errichtung von drei Brücken erhalten. Um die Kosten gering zu halten, wird, obwohl die Bauwerke über 100 km auseinander liegen, ein Containerbüro in Marseille eingerichtet, das für die Baustelle 1 (Dauer sechs Monate), Baustelle 2 (Dauer sieben Monate) und Baustelle 3 (Dauer zwei Monate) tätig wird.

Lösung:

Ungeachtet der Regelung des offiziellen OECD-MA zu Art. 5, Tz. 18 (Einzelbetrachtung jeder Baustelle für die Berechnung der Zwölfmonatsfrist) liegt durch die ›Klammer‹ des gemeinsamen Containerbüros eine Betriebsstätte vor. Die Gewinne sind in Deutschland freizustellen.

[1] Rn 16 zu Art 5 OECD-MA

4.4.2.2 Fristenberechnung

Die Betriebsstätte entsteht mit der Aufnahme der gewerblichen Tätigkeiten am Ort der Bauausführung bzw. der Montageleistung. Hierfür genügen vorbereitende Arbeiten.

Sie endet mit der Fertigstellung des Bauwerks. Für den Regelfall wird dies der Zeitpunkt der Abnahme sein. Der Begriff der Bau- und Montageleistungen bezieht sich auf die Erstellung von Bauwerken und Anlagen.

Im Einzelnen geht die Finanzverwaltung von folgenden Aufgriffen und Eckwerten aus:

Beginn der Frist

  • Fristbeginn: Beginn der Arbeiten vor Ort;
  • Grundsatz: Maßgebend ist damit das Eintreffen der ersten Person an der Baustelle;
  • unerheblich ist hierbei, ob eigene Mitarbeiter oder die eines Subunternehmers eingesetzt werden[1];
  • es muss hierbei keine originäre Bautätigkeit sein, bereits Vorbereitungshandlungen auf der Baustelle wie das Vermessen der Baustelle oder die Einrichtung eines Bauplanunsbüros lösen die Frist aus;
  • [2]
  • Vorbereitungsarbeiten in Deutschland wie z. B. Planungsarbeiten sind irrelevant.
  • Eine Montage beginnt mit dem Eintreffen der ersten Person, die vom Montageunternehmen mit den vorzunehmenden Montagearbeiten betraut worden ist.
  • [3]

Unterbrechung der Frist

  • Jahreszeitlich bedingte oder andere vorübergehende kurzfristige Arbeitsunterbrechungen sind mitzurechnen (z. B. schlechte Witterung, Streik, Materialmangel[4]);
  • übliche Arbeitsunterbrechungen führen damit weder zu einem Neubeginn noch zu einer Hemmung der Frist.

Der BFH hält hingegen eine weitere Differenzierung für erforderlich.[5] Hiernach ist zu unterscheiden zwischen Unterbrechungen, die durch den Betriebsablauf bedingt sind, wie z. B. Trocknungsfristen, Materialmangel, und nicht durch den Betriebsablauf bedingte Unterbrechungen, wie z. B. die Verweigerung der Abnahme der Anlage. Nur nicht durch den Betriebsablauf bedingte Unterbrechungen hemmen die Frist, wenn die Unterbrechung länger als 14 Tage dauert und das Personal von der Baustelle abgezogen wird.

Ende der Frist

Die Frist endet mit der Fertigstellung des Bauwerks. Für den Regelfall wird dies der Zeitpunkt der Abnahme sein.

[6]

Im Einzelfall kann dies sein, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind oder endgültig eingestellt werden, aber frühestens mit der Abnahme des fertigen Werks, wenn dies vertraglich vorgesehen ist. Ohne förmliche Abnahme ist auf die Abreise der letzten mit der Auftragsausführung befassten Person abzustellen. Arbeiten in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Bauausführung oder Montage (Mängelbehebungen und Reparaturen) sind in die Frist einzubeziehen. Nach Anlagenübergabe erbrachte technische Assistenz, Personalschulung oder Betriebsführung zählt nicht zur Frist. Der Begriff der Bau- und Montageleistungen bezieht sich auf die Erstellung von Bauwerken und Anlagen.

[2] Vgl. Tz. 54 des OECD-MAK 2017 i. d. F. vom 21.11.2017 zu Art. 5 Abs. 3.
[6] Vgl. Tz. 55 des OECD-MAK i. d. F. vom 21.11.2017 zu Art. 5 Abs. 3

4.4.2.3 Zusammenrechnung von mehreren Baustellen

Das OECD-MA enthält abweichend vom deutschen Recht (§ 12 Nr. 8 AO) keine Regelung über die Zusammenrechnung von Betrieb...

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