Im Hinblick auf europarechtliche Bedenken wurde die Milderungsregelung des § 4g EStG eingeführt: Auf unwiderruflichen Antrag kann ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in den Fällen der "Quasi-Entnahme" von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die aufzulösenden stillen Reserven auch in einen Ausgleichsposten einstellen, soweit das Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat zugeordnet werden kann. Fälle der
- Überführung von einer Inlands-Betriebsstätte auf ein ausländisches Stammhaus oder
- Überführung von einer Inlands-Betriebsstätte auf eine ausländische Personengesellschaft oder
- Entstrickung nach dem UmwStG
sind nicht begünstigt.
Frage der ‹europarechtlichen› Zulässigkeit
Der Gesetzgeber sieht die Rechtfertigungsmöglichkeit dieser Vorschrift in Fallgruppe a) in der fehlenden Steueraufsicht (keine Nachverfolgungsmöglichkeit der Zuordnung in der deutschen Buchhaltung) und in Fallgruppe b) in der fehlenden Steuer-Subjektidentität bzw. dem Überspringen stiller Reserven auf andere Mitunternehmer. Dies erscheint bedenklich, als nach den DBA der Anteil an einer Personengesellschaft regelmäßig als Betriebsstätte gilt, was z. B. ausdrücklich in Art 7 Abs. 7 DBA Österreich normiert ist. Zumindest bei wirtschaftlich betrachteten Einheitsgesellschaften (100 %-Beteiligungen) besteht kein Anlass für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs. Auch die EU-KOM hat dies aufgegriffen. Nach der Stellungnahme der Bundesregierung soll eine Korrektur im Rahmen des ATADUmsG 2020 erfolgen (s. u.).
Bildung des Ausgleichspostens
Der Ausgleichsposten ist in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts zu bilden (§ 4g Abs. 1 Satz 1 EStG). Er kann nur einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahrs überführten Wirtschaftsgüter gebildet werden. Dabei sind für diese Ermittlung alle Überführungen auch in Betriebsstätten verschiedener Länder zusammenzufassen.
Auflösung des Ausgleichspostens
Der Ausgleichsposten ist regelmäßig im Wirtschaftsjahr der Bildung und den folgenden vier Wirtschaftsjahren gleichmäßig gewinnerhöhend aufzulösen. Es handelt sich bei dieser Auflösung um laufenden Gewinn. Abweichend von der gleichmäßigen Auflösung hat eine gewinnerhöhende sofortige Vollauflösung zu erfolgen,
- wenn das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen ausscheidet (Verkauf, Entnahme ins Privatvermögen, Untergang),
- bei einer Weiterüberführung in eine Nicht-EU-Betriebsstätte,
- bei sonstigen gewinnrealisierenden Tatbeständen, z. B. einer verdeckten Einlage oder vGA.
Im Fall einer Betriebsaufgabe, Veräußerung des Gesamtunternehmens oder eines Teilbetriebs (dem die Rücklage zuzuordnen ist) innerhalb des 5-Jahreszeitraums ist die verbleibende Rücklage ebenfalls als laufender Gewinn zu besteuern.
Bilanzsteuerliche Behandlung
Der neue § 4g EStG soll die im Betriebsstättenerlass vertretene Konzeption der ‹aufgeschobenen Besteuerung› in eine gesetzliche Regelung umsetzen, verändert sie aber auch in Einzelheiten. Kern ist die Bildung eines Ausgleichspostens i. H. d. Differenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert.
Dieser Ausgleichsposten vermeidet den sofortigen Ausweis eines Gewinns und damit die sofortige Besteuerung. Die Gewinnrealisierung wird aber nur aufgeschoben. Seinem Wesen nach ist der Ausgleichsposten kein Wirtschaftsgut, sondern nach der Gesetzesbegründung eine rein steuerliche Bilanzierungshilfe in der Höhe des sonst auszuweisenden Gewinns. Er ist mangels einer entsprechenden Vorschrift im Handelsrecht nur in der Steuerbilanz zu bilden; der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gilt insoweit nicht. Dem steht allerdings entgegen, dass zumindest für handelsrechtliche Bilanzierungshilfen steuerliche Passivierungsverbote bestehen.
Aufzeichnungs-, Dokumentations- und Meldepflichten
Der Steuerpflichtige hat ein Verzeichnis zu führen, aus dem sich die Bildung und die Auflösung der Rücklage ergeben. Dieses ist mit der Steuererklärung beim Finanzamt einzureichen. Fälle der vorzeitigen Auflösung sind von ihm unverzüglich anzuzeigen. Sollte der Steuerpflichtige seinen vorgenannten Verpflichtungen nicht nachkommen, ist die verbleibende Rücklage ebenfalls in voller Höhe als laufender Gewinn des betroffenen Wirtschaftsjahrs zu besteuern.
Zusammenfassendes Beispiel:
Die A-KG ist Hersteller von Kunststofferzeugnissen. Sie hat in Deutschland den Firmenstammsitz und in Frankreich eine Betriebsstätte. Anfang Januar 03 lässt die Gesellschaft eine Maschine in die Betriebsstätte schaffen. Die Maschine ist Anfang 01 für 1 Mio. EUR angeschafft worden und in der Bilanz auf den 31.12.02 mit 490.000 EUR ausgewiesen, hat jedoch einen Teilwert von 1 Mio. EUR. Ihr Einzelveräußerungspreis beträgt Anfang 03 800.000 EUR. Sie hat noch eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 8 Jahren.
Lösung:
Die Überführung der Maschine führt zur Steuerentstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. H....