5.1 Allgemeines
Insbesondere bei Betriebsrenten droht eine doppelte steuerliche Belastung sowohl in der Ansparphase als auch in der Auszahlungsphase, wenn der Steuerpflichtige von einem Staat der vorgelagerten Besteuerung (Besteuerung als laufender Arbeitslohn) in einen anderen Staat der nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften (wie z. B. Deutschland) zieht. Die Europäische Kommission hat sich bereits im Jahr 2001 umfassend mit dieser Problematik beschäftigt und sich hierbei dafür ausgesprochen, dass entsprechend Art. 18 OECD-MA allein der Ansässigkeitsstaat Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen für frühere unselbstständige Arbeit besteuert. Sie hat hierbei vorgeschlagen, dass alle Staaten auf ein System der nachgelagerten Besteuerung übergehen. Nicht alle Staaten sind allerdings bereit auf entsprechende Steuereinnahmen zu verzichten.
Der EuGH hat sich mit dieser Problematik in der Auszahlungsphase bislang nicht beschäftigt. Er hat allerdings in 2 Urteilen entschieden, dass in der Einzahlungsphase grenzüberschreitende Altersvorsorgeaufwendungen grundsätzlich wie inländische zu behandeln sind. Deutschland ist bislang von folgenden Fragen betroffen:
5.2 Vorsorgeaufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien ausländischem Arbeitlohn (Art. 14 OECD-MA)
5.2.1 Ursprüngliche Rechtslage
Nach dem früheren Wortlaut von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG kam ein Sonderausgabenabzug für Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG (Vorsorgeaufwendungen) nur dann in Betracht, wenn diese nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen standen. Die Regelung entsprach § 3c Abs. 1 EStG für den Werbungskosten-/Betriebsausgabenabzug.
5.2.2 Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat
entschieden, dass die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 45 AEUV (vorher: Artikel 39 EG) der Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, nach der die Altersvorsorgeaufwendungen und Krankenversicherungsbeiträge von in einem EU-Mitgliedstaat tätigen, aber in Deutschland wohnenden Arbeitnehmern, deren Arbeitslohn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der inländischen Besteuerung freigestellt ist, vom Sonderausgabenabzug ausgenommen sind.
5.2.3 Erste Reaktion der Finanzverwaltung
Bereits im Vorgriff auf eine gesetzliche Änderung von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG hatte die Finanzverwaltung
den erweiterten nicht diskriminierenden Sonderausgabenabzug für alle offenen Fälle gewährt.
5.2.4 Gesetzliche Nachbesserung
Durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (UStAVermG) vom 11.12.2018, BGBl 2018 I S. 2338, BStBl 2018 I S. 1377, erfolgte die gesetzliche Nachbesserung. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG wurde dahingehend ergänzt, dass Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG auch dann zu berücksichtigen sind, soweit
- sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erzielten Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit stehen,
- diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) im Inland steuerfrei sind und
- der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt.
Gemäß § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG ist die Neuregelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in allen offenen Fällen anzuwenden.
5.2.5 Zweite Reaktion der Finanzverwaltung
Nach der zweiten Verwaltungsanweisung
ergibt sich für die einzelnen EU-/EWR-Staaten Folgendes:
Fallgruppe 1
Sonderausgabenabzug möglich, da alle in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n. F. genannten Voraussetzungen erfüllt sind:
Großbritannien & Nordirland, Irland, Litauen, Malta, Niederlande (mögliche Ausnahme: Beschluss vom Staatssecretaris vom 24.03.2014, DGB 2014/144M, Stcrt. Nr. 9763 – bei auch Wohnsitz in den Niederlanden und deutsche Sozialversicherungsbeiträge), Tschechische Republik und Ungarn.
Fallgruppe 2
Sonderausgabenabzug nicht möglich, da mindestens eine der in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n. F. genannten Voraussetzungen (in den Staaten ist ein – anteiliger – Sonderausgabenabzug möglich) nicht erfüllt ist:
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien und Spanien
Fallgruppe 3
Sonderausgabenabzug möglich, weil das Doppelbesteuerungsabkommen die Anwendung der Anrechnungsmethode vorsieht, beide Vertragsstaaten besteuern und mithin kein steuerfreier Arbeitslohn vorliegt:
Liechtenstein, Norwegen, Zypern
Eine Berücksichtigung entsprechender Vorsorgeaufwendungen erfolgt erst im Veranlagungsverfahren. Eine Berücksichtigung bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugs und der Lohnsteuerbescheinigung ist grundsätzlich nicht zulässig.
Negativkatalog:
Im Umkehrschluss sc...