Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Matthias Michael Nelde
Im zuvor betrachteten Beispiel ist der Kapitalwert durch die Berücksichtigung von Steuern gesunken. Die Berücksichtigung von Steuern führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer Verringerung des Kapitalwerts. Auch eine gegenläufige Entwicklung des Kapitalwerts ist möglich, d. h. der Kapitalwert kann sich durch die Berücksichtigung von Steuern erhöhen. Insbesondere kann eine Investition durch die Berücksichtigung von Steuern einen positiven Kapitalwert aufweisen, während ihr Kapitalwert ohne Betrachtung von Steuern negativ ist. Dieser Effekt wird als das Steuerparadoxon bezeichnet.
Das Steuerparadoxon soll zunächst anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Der Zahlungsstrom der Investition ist in der folgenden Tabelle abgebildet, der Kalkulationszinssatz vor Steuern beträgt 10 %, die Steuerquote liegt bei 30 % und die Anschaffungsauszahlung wird gleichmäßig über die Investitionslaufzeit abgeschrieben.
Zeitpunkt (t) |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
Zahlungen |
-30.000 |
0 |
13.500 |
13.500 |
12.500 |
Berechnet man für diese Investition den Kapitalwert vor Steuern, erhält man einen negativen Wert von -162,56 EUR, die Investition ist somit unvorteilhaft.
Bezieht man anschließend Steuern in die Investitionsbewertung ein, erhält man einen positiven Kapitalwert in Höhe von 264,57 EUR. Die Investition ist im Steuer-Fall als vorteilhaft zu beurteilen.
Die Änderung der Vorteilhaftigkeit der Investition kann auf die Wirkungen der Steuern auf den Zahlungsstrom und auf den Kalkulationszinssatz zurückgeführt werden. Die Steuerzahlungen verändern den ursprünglichen Zahlungsstrom. Während im zweiten, dritten und vierten Jahr der Einzahlungsüberschuss durch die Steuerzahlungen geringer ausfällt, erhöht sich im ersten Jahr der Einzahlungsüberschuss um 2.250 EUR, da in diesem Jahr eine negative Steuerzahlung anfällt. Zusätzlich verringert sich der Kalkulationszinssatz durch die Steuerkorrektur von 10 % auf 7 %. Beim Steuerparadoxon überkompensieren die positiven Wirkungen, d. h. die Verringerung des Kalkulationszinssatzes und die negative Steuerzahlung zum Ausgleich des Verlusts in der ersten Periode, die positiven Steuerzahlungen im zweiten, dritten und vierten Jahr.
Von zentraler Bedeutung für das Steuerparadoxon ist dabei die Höhe des Steuersatzes. Diese entscheidet, ob die positiven Wirkungen die negativen Konsequenzen der Berücksichtigung von Steuern überkompensieren. Die Abhängigkeit des Kapitalwerts vom Steuersatz wird für das betrachtete Beispiel in der folgenden Abbildung dargestellt. Bei einem Steuersatz von s=0 % beträgt der Kapitalwert -162,56 EUR. Dieser nimmt zunächst mit einer steigenden Steuerquote zu. Der Kapitalwert der Investition ist positiv, wenn der Steuersatz über 9,50 % liegt. Den maximalen Kapitalwert von 256,82 EUR weist die Investition bei einem Steuersatz von 57,4 % auf. Nachdem die Kapitalwertkurve ihren Hochpunkt überschritten hat, geht der Kapitalwert bei einer weiter steigenden Steuerquote wieder zurück und liegt bei s=100 % bei 0 EUR.
Abb. 1 Darstellung des Steuerparadoxon