Leitsatz
Ein Anspruch auf eine erhöhte Investitionszulage für kleine und mittlere Unternehmen nach § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 besteht nicht, wenn das Unternehmen nicht während des gesamten fünfjährigen Verbleibenszeitraums die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der KMU-Empfehlung 2003 der Europäischen Kommission erfüllt (entgegen BMF-Schreiben vom 20. Januar 2006, BStBl I 2006, 119, Rz. 128).
Normenkette
§ 2 Abs. 7 Satz 1, Abs. 1 InvZulG 2005, § 5 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2007, § 2 Abs. 7 InvZulG 1999
Sachverhalt
Die Geschäftsanteile der Klägerin, einer GmbH, werden zu gleichen Teilen von A, seinem Cousin B, C (Sohn von A) und D (Sohn von B) gehalten. Geschäftsführer sind C und D. Die Gesellschafter sind auch die einzigen Kommanditisten der E‐KG, die 2004 ca. 450 Mitarbeiter hatte und einen Umsatz von über 130 Mio. EUR erzielte. Im Jahr 2007 wurde die Klägerin in die H‐Holding eingebracht. Infolge dessen erfüllte sie seitdem unstreitig nicht mehr die KMU‐Eigenschaft.
Das FA setzte für 2005 eine Investitionszulage mit dem erhöhten Zulagensatz von 25 % fest. Dabei ging es von den Angaben in der KMU‐Erklärung aus, die Klägerin sei ein eigenständiges Unternehmen mit 32 Mitarbeitern, einem Umsatz von 42 Mio. EUR und einer Bilanzsumme von 30 Mio. EUR im Wirtschaftsjahr 2004. Nach einer Außenprüfung sah das FA die Klägerin nicht mehr als KMU an und minderte die Investitionszulage, indem es den allgemeinen Zulagensatz von 12,5 % anwandte.
Das FG entschied, die Klägerin habe 2005 als verbundenes Unternehmen die KMU-Grenzen überschritten, und wies die Klage ab (FG Nürnberg, Urteil vom 12.4.2016, 1 K 1466/14, Haufe-Index 9712388, EFG 2016, 1912).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück, weil die KMU-Grenzen nach dem InvZulG 2005 während des ganzen Verbleibenszeitraums eingehalten werden müssen und unstreitig infolge der Einbringung im Jahr 2007 überschritten wurden.
Hinweis
1. KMU erhalten (letztmals für Investitionen im Jahr 2013) eine erhöhte Investitionszulage. Die Beteiligten stritten hier darüber, ob die Klägerin die KMU-Grenzen einhielt, weil sie ein eigenständiges Unternehmen war, oder ob sie die Schwellenwerte überschritt, weil sie über eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen mit einem anderen Unternehmen verbunden war, sodass die Größenmerkmale zu addieren waren.
2. Der BFH ließ diese Frage offen, weil die Klägerin zwei Jahre später in eine Holding eingebracht wurde und die KMU‐Eigenschaft deshalb nicht während der gesamten Bindungsfrist erhalten blieb. Entgegen den Gesetzesmaterialien und der Auffassung der Verwaltung sowie des FG müssen die Größenmerkmale während des gesamten fünfjährigen Verbleibenszeitraums der Wirtschaftsgüter erfüllt sein. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 7 InvZulG 2005: "... wenn die ... Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem ... Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition ... (KMU) … erfüllt". Der Zeitraumbezug ist im Übrigen im Zulagenrecht die Regel. Die Begünstigungsvoraussetzungen müssen – unabhängig davon, ob sie sich auf das Wirtschaftsgut selbst oder auf den Betrieb beziehen – nicht nur zu Beginn des Wirtschaftsjahres des Investitionsabschlusses, sondern während des gesamten Bindungszeitraums erfüllt sein.
3. Der Gesetzgeber hat jedoch in der Frage, ob es auf die Unternehmensgröße im Zeitpunkt der Investition oder im gesamten Verbleibenszeitraum ankommt, im Laufe der Zeit geschwankt.
Das InvZulG 1996 stellte auf einen Zeitpunkt ab und ließ es genügen, dass "der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer ... beschäftigt"; ebenso das InvZulG 2007 und das InvZulG 2010: "Erfüllt der anspruchsberechtigte Betrieb im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens die Begriffsdefinition" für KMU.
Ebenso wie das InvZulG 2005 war das InvZulG 1999 dagegen zeitraumbezogen: "... wenn die Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in Betrieben verbleiben, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer ... beschäftigen".
4. Rechtspolitisch gibt es gute Gründe für und wider den Zeitpunkt- und den Zeitraumbezug. Das Zeitraumerfordernis bewirkt eine Verminderung der Zulage, wenn das geförderte Unternehmen besonders erfolgreich agiert und dadurch in späteren Jahren die KMU-Grenzen überschreitet. Es beugt aber auch unerwünschten Gestaltungen vor, z.B. der Gründung eines kapitalintensiven Mittelbetriebs, der dann im Folgejahr mit einem Großunternehmen fusioniert.
Unrichtige begünstigende Verwaltungsauffassung schützt nicht
Der Rechtsstreit zeigt wieder einmal, dass eine für den Steuerpflichtigen günstige, aber unrichtige Verwaltungsauffassung nur begrenzt nützt: Sie vermeidet zwar einen diesbezüglichen Streit mit dem FA, hindert aber die FG nicht, eine auf einem anderen und aussichtsreichen Streitpunkt beruhende Klage abzuweisen (anderes Beispiel: Sanierungserlass).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.12.2017 – II...