Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Eine konkludente Gestattung der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 UStG ist auch dann anzunehmen ist, wenn das Finanzamt die Berechnung nach vereinnahmten Entgelten durch den Steuerpflichtigen zwar erkennen konnte, ein tatsächliches Erkennen und damit eine tatsächliche Ermessensausübung aber nicht festgestellt werden kann.
Die umsatzsteuerliche Istbesteuerung folgt weitgehend dem ertragsteuerlichen Zuflussprinzip des § 11 EStG, jedoch nicht hinsichtlich der ertragsteuerliche Fiktion des Entgeltzuflusses beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH.
Sachverhalt
Der klagende beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer erbrachte an die von ihm beherrschte H-GmbH Rechtsanwaltsleistungen. Jedoch entrichtete die H-GmbH die in Rechnung gestellten Entgelte teilweise nicht. Insoweit war streitig, ob dem Kläger für 2010 und 2011 die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 UStG gestattet war. Lt. Kläger habe er seine Umsatzsteuer seit mehreren Jahren nach vereinnahmten Entgelten berechnet und somit mit der Abgabe dieser Umsatzsteuererklärungen einen konkludenten Antrag auf Gestattung der Ist-Versteuerung nach § 20 UStG gestellt. Dies habe das Finanzamt mit der ersten Umsatzsteuerabrechnung formlos gestattet. Auch habe das Finanzamt die Ist-Versteuerung erkennen können, da die Einnahmen der Gewinnermittlung den erklärten Umsätzen entsprochen hätten.
Das Finanzamt ist dagegen der Auffassung, dass die Berechnung nach vereinnahmten Entgelten weder (konkludent) beantragt noch (konkludent) gestattet worden sei. Deshalb erhöhte es für 2010 und 2011 die vom Kläger erklärten Umsätze um die der GmbH in Rechnung gestellten, aber nicht bezahlten Beträge. Im Übrigen wäre selbst bei Anwendung der Ist-Besteuerung ein Zufluss in 2010 und 2011 gegeben, da nach der ertragsteuerlichen Fiktion eines Zuflusses von Entgelten beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer von der von ihm beherrschten GmbH auch umsatzsteuerlich zur Vereinnahmung dieses Entgelts führe.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln war dem Kläger die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten i. S. d. § 20 Satz 1 UStG - statt der Sollbesteuerung bei Ausführung der Leistung - gestattet gewesen
Ausreichend ist eine erkennbare konkludente Antragstellungdes Unternehmers
Der gem. § 20 UStG erforderliche Antrag für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kann auch konkludent gestellt werden (vgl. BFH v. 18.11.2015, XI R 38/14, BFH/NV 2016 S. 950 und BFH v. 18.8.2015, V R 47/14, BFH/NV 2015 S. 1786). Ein konkludenter Antrag kann allerdings nur angenommen werden, wenn der Steuererklärung deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden sind. Das Finanzamt muss den Antrag auf Gestattung der Ist-Versteuerung auch nicht tatsächlich erkennen; vielmehr reicht die deutliche Erkennbarkeit aus. Dies sei der Fall, wenn der Unternehmer die Umsatzsteuer- und Einkommensteuererklärungen mit den Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG zusammen abgibt und die in den Gewinnermittlungen zugeflossene Einnahmen den deklarierten Ausgangsumsätzen in der Umsatzsteuererklärung entsprechen.
Die Gestattung der Ist-Versteuerung durch das Finanzamt kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch stillschweigend bekannt gegeben werden. Die Umsatzsteuerfestsetzung kann als eigener Verwaltungsakt nur dann als konkludente Gestattung der Ist-Besteuerung ausgelegt werden, wenn mit ihr nach außen erkennbar auch eine Entscheidung über den Antrag getroffen wurde. Hieran dürfen aber keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden, da der Empfängerhorizont der Beteiligten entscheidend ist. Hat ein Unternehmer einen konkludenten Antrag auf Genehmigung der Ist-Versteuerung gestellt, hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist. Der Bundesfinanzhof stellt entscheidend darauf ab, wie der Unternehmer die Äußerung des Finanzamts durch Erlass des Umsatzsteuerbescheids verstehen durfte, ohne dass eine tatsächliche Ermessensbetätigung feststellbar sein muss.
Zwar folgt die umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung weitgehend dem ertragsteuerlichen Zuflussprinzip des § 11 EStG. Nach Auffassung des Finanzgerichts führt jedoch die ertragsteuerliche Zuflussfiktion beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer von der von ihm beherrschten GmbH umsatzsteuerlich nicht zur Entgeltvereinnahmung (vgl. EuGH v. 16.5.2013, Rs. C-169/12, TNT Express Worldwide [Portland]). Ein Zufluss der Honorare seitens der GmbH beim Kläger sei deshalb nicht bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Forderungen, sondern erst im Zeitpunkt der Gutschrift anzunehmen.
Hinweis
Das Urteil des Finanzgerichts ist praxisfreundlich. Allerdings ist noch der Ausgang des beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren abzuwarten (Az beim BFH XI R 39/17).
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 15.11.2017, 9 K 1016/14